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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Spleen.«
    »Nicht alle.«
    »Aber die meisten!«
    Davon konnte ich mich wenig später selbst überzeugen.
    Ich hatte mich gerade wieder in meiner Sofaecke niedergelassen, als die beiden Tanzlehrerinnen auf mich zukamen. Sie gehörten auch zu denen, die mich im Laufe des Nachmittags schon interviewt hatten. Jetzt wollten sie sich verabschieden. Ich versuchte aufzustehen, da versanken beide vor mir in einen tiefen Knicks. Du liebe Zeit, wer war ich denn? Die Queen? Ich war entsetzlich verlegen, wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte, doch da hatten die beiden sich schon wieder erhoben, murmelten noch einige Höflichkeiten und gingen.
    »Was war denn
das?
Sehe ich tatsächlich schon so alt aus?« Hilfesuchend wandte ich mich an Katja. »Die waren doch bestimmt schon über siebzig, weshalb also dieser Kotau?«
    »Na, eine hatte eine ziemlich dicke Brille auf, und die Beleuchtung hier hinten ist nicht so besonders«, meinte Katja tröstend, »bei Tageslicht wäre das bestimmt nicht passiert.«
    Ich war so lange empört, bis mich Vicky beruhigte. Der Knicks sei nichts anderes gewesen als eine Reverenz vor der Mutter des Bräutigams. Na, wennschon, ich fand es ausgesprochen albern.
    Gegen neun Uhr, als schon seit einer halben Stunde kein weiterer Gratulant mehr erschienen und die meisten anderen gegangen waren, erklärte Sascha den offiziellen Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten für beendet, hängte sein Jackett über eine Stuhllehne, die Halsbinde daneben, und zog mit sichtbarem Behagen die Schuhe aus. Allgemeines Aufatmen seitens der anderen Männer, gefolgt von einem ähnlich dezenten Striptease. Vicky verschwand sogar nach oben und war fünf Minuten später im Jogginganzug wieder da.
    »Was du kannst, kann ich auch«, sagte Sascha. Bei ihm ging es sogar noch schneller. In Jeans und Sweatshirt sah er gar nicht mehr bräutigamsmäßig aus.
    Ob jemand Tee wolle, fragte Janet. Niemand wollte welchen, ein Magen ist schließlich kein Schwamm, und Getränke jeglicher Art hatte es genug gegeben. Auch gut, dann könne sie ja jetzt ihr Dinner zu sich nehmen. Mit einem Glas milchweißer Flüssigkeit und einem hundekuchenähnlichen Keks kam sie aus der Küche zurück.
    »This is really your dinner? Milk and a cracker?«
    Das sei keine Milch, sondern ein Spezialgetränk, davon lebe sie schon seit Wochen, sagte sie lachend, und allmählich habe sie sich daran gewöhnt. Sie sei ja noch viel dicker gewesen, nehme aber dank der Cambridge-Diät kontinuierlich ab und hoffe, so um Weihnachten herum endlich mal wieder ein fertiges Kleid kaufen zu können.
    Ihre Schneiderin hoffe allerdings das Gegenteil. Nein, das Übergewicht sei nicht krankheitsbedingt, es sei schlicht und einfach angefressen. Nachdenklich rührte sie in ihrem Vitamingebräu. Ob man im Zeitalter das Schlankheitswahns nicht vielleicht noch die Worte »Durch dick und dünn« ins Ehegelübde aufnehmen sollte? Dabei sah sie durchdringend ihre Tochter an.
    »Why?« fragte die.
    Eines Tages werde sie auch mal fünfundfünfzig sein, prophezeite Janet, worauf Sascha versprach, an Vickys vierzigstem Geburtstag werde er den Griff der Kühlschranktür fünf Zentimeter über dem Boden anbringen.
    Das würde ich ihm glatt zutrauen!
    Lange blieben wir nicht mehr. Das Brautpaar machte sich auf den Weg zur Hochzeitssuite und löste damit den allgemeinen Aufbruch aus. Kaum hatte sich die Tür hinter uns geschlossen, da jammerte Katja: »Können wir nicht irgendwo noch was essen gehen? Ich habe einen Mordshunger.«
    Den hatte ich auch. Vor lauter Höflichkeit waren wir alle irgendwie zu kurz gekommen. Zwei kleine Schnittchen, zwei Löffelchen Salat, eine Ecke Hochzeitskuchen – genaugenommen hatten wir seit unserem frugalen Frühstück nichts Vernünftiges in den Magen gekriegt.
    »Also schön, probieren wir mal die berüchtigte englische Restaurantküche aus.«
    Auf der Suche nach einer solchen kamen wir an einem hellerleuchteten Supermarkt vorbei. »Guckt mal, der hat ja noch auf! Warum holen wir uns nicht hier was zu essen?«
    Stefanie protestierte. »Nee, nicht schon wieder kalte Küche. Was haltet ihr von Take-away? Da drüben ist einer.«
    Take-away, das magische Wort! Mit je einem halben Hähnchen und einer großen Packung Pommes frites kehrten wir in unsere Herberge zurück. Katja schaltete den Fernseher ein, Nicole kochte Tee, und dann saßen wir rund um den Tisch, guckten in die Röhre und kauten Huhn aus Pappschachteln. »Wie zu Hause«, konstatierte Katja zum zweitenmal,

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