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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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»essen, fernsehen, Bett.«
    »Nicht ganz«, widersprach Nicki, »zu Hause haben wir Teller.«

8
    Wenn ich mal sonntags keine Lust zum Kochen oder festgestellt habe, daß die letzten tiefgefrorenen Putenschnitzel dem Raubzug der Zwillinge zum Opfer gefallen sind (auswärts lebende Studenten lernen als erstes, wie man mütterliche Kühlschränke plündert), dann gehen wir essen. Das tut man in England auch, nur heißt es dort »Sunday-lunch«.
    Vicky und Sascha hatten zu einem solchen geladen. Als wir uns gegen elf Uhr versammelten, waren wir genau dreizehn Personen, eine Zahl, die auch in England nicht gerade als glückbringend gilt. Trotzdem war Janet nicht zum Mitkommen zu bewegen. Sie hatte Angst, wieder rückfällig zu werden. Notgedrungen ließen wir sie mit den zwei Hunden und ihrem bereits angerührten Vitamincocktail allein. Sie sündigte sowieso schon. In der Küche stand ein Schüsselchen Salat, den sie gerade mit Zitrone beträufelte. »It’s
my
Sunday-lunch«, sagte sie und schob uns zur Tür hinaus.
    Das Speisehaus oder wie immer man diese an eine Bahnhofswirtschaft erinnernde Lokalität bezeichnen will, war bis zum letzten Platz besetzt, und zwar überwiegend von Männern, je nach Familienstand mit Sohn oder Zeitung neben sich, häufig sogar mit beidem.
    »Ich dachte, die Frauenbewegung ist mal von England ausgegangen, aber kurz danach muß sie wohl wieder stehengeblieben sein.« Schon immer hatte sich Katja für die Suffragetten interessiert, allerdings nur so lange, wie sie vereinzelt aufgetreten waren. »Wieso hocken hier bloß die Herren der Schöpfung und mampfen? Oder sind alle Engländerinnen auf Diät?«
    Es sei hier üblich, die Hauptmahlzeit erst am Abend einzunehmen und mittags nur eine Kleinigkeit zu essen. In der Regel gingen die Männer sonntags zum Frühschoppen in den Pub, und oft blieben sie dann gleich zum Lunch, erläuterte Sascha.
    Katja nickte verstehend. »Jetzt ist mir wenigstens klar, weshalb Vicky mit dir in Deutschland leben will.
    Wahrscheinlich hättest du sonst in zwei Jahren genauso einen Mollenfriedhof wie Grant.«
    Vickys Bruder hatte wirklich das, was man früher zurückhaltend-vornehm Embonpoint nannte, heute jedoch von Schlankheitsaposteln weniger vornehm als Wampe bezeichnet wird. Vielleicht hatte ihn deshalb der Pfarrer gestern als ihren Vater angesehen und entsprechend begrüßt, was bei Grant begreiflicherweise helles Entsetzen ausgelöst hatte und bei Vicky einen Lachanfall, von dem sie sich noch immer nicht erholt hatte, als sie schon vor dem Altar stand. Oder weshalb sonst hatte während der ganzen Zeremonie die Schleife hinten auf dem Kleid so gewackelt?
    Es dauerte eine Weile, bis wir uns zu dem reservierten Tisch durchgeschlängelt und Platz genommen hatten. Wie die Heringe saßen wir zusammengedrängt, was ja angeblich die Gemütlichkeit fördern soll, die Bewegungsfreiheit jedoch ziemlich einschränkt. Viel brauchten wir ohnedies nicht. Das Essen wurde fix und fertig auf dem Teller serviert und war bei allen das gleiche: Roastbeef mit Röstkartoffeln, verschiedenen Gemüsen und Yorkshirepudding.
    Seitdem ich in einem Kochbuch mal das Rezept für den berühmten Plumpudding gefunden habe, weiß ich, daß Pudding nicht gleich Pudding ist; ich jedenfalls habe für meine Schokoladencreme noch niemals Nierenfett gebraucht. Mit den Ingredienzen des nicht minder bekannten Yorkshirepuddings hatte ich mich vorsichtshalber erst gar nicht befaßt, deshalb konnte ich auch nicht enttäuscht werden.
    »Das soll Pudding sein?« Mit der Gabel stach Nicole in das pastetenartige Gebilde, worauf der aufgeblasene Brandteig mit nichts als Luft in der Mitte zusammenschrumpfte. »Wie ißt man denn das?«
    »Mit Messer und Gabel«, knurrte Sascha.
    »Himmel ja, das weiß ich auch. Ich meine, ist das eine Beilage oder so was?«
    Bekanntlich schreibt die englische Küche vor, daß man Gemüse in Salzwasser zu kochen hat und darin so lange schwimmen läßt, bis man es essen will. Genauso schmeckt es dann auch. Für Leute mit weniger abgestumpften Geschmacksnerven gibt es Gewürze, nämlich Salz und Pfeffer. Und Soßen. Zwei standen auf dem Tisch.
    Worcestersauce und Ketchup.
    »Attention, it’s sugar!« rief Mel warnend.
    »I know it.« Ungerührt streute Stefanie einige Zuckerkrümel über ihre Karotten, probierte und nickte befriedigt. »Jetzt sind sie wenigstens genießbarer.«
    Sieht man davon ab, daß Katja beim Kampf mit ihrem etwas zähen Yorkshirepudding das Gewicht zu sehr

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