Werden sie denn nie erwachsen?
einer Durchsuchung bestehen?«
Das wußte Sascha auch nicht. »Werden sie schon nicht«, beruhigte er sich selbst, »wir kommen ja nachts an die Grenze, und ich habe noch keinen deutschen Beamten erlebt, der zwischen Mitternacht und Morgen mehr tut, als er unbedingt muß. Er hat anwesend zu sein, das genügt.
Etwaige Kontrollen stehen in seinem eigenen Ermessen, und das läuft nachts auf Sparflamme.«
Sascha sollte recht behalten. Der Zöllner beäugte zwar die beiden übernächtigten Gestalten mißtrauisch, gab sich jedoch mit der beinahe noch druckfrischen Heiratsurkunde und der Versicherung zufrieden, man transportiere lediglich die Aussteuer der Braut zu ihrem zukünftigen Domizil. Daß er Steffi zur Vermählung gratulierte, geschah rein privat und trug ihr ein angeschlagenes Schienbein ein. Sie hatte gerade energisch gegen diese Unterstellung protestieren wollen, als Sascha ihr einen heftigen Tritt versetzte. Völlig perplex nickte sie nur und mußte sich hinterher sagen lassen, daß sie eine dumme Gans sei und beinahe unübersehbare Komplikationen heraufbeschworen hätte. »Ein normaler Ehemann reist vier Tage nach der Hochzeit mit seiner Frau zusammen und nicht mit seiner Schwester.«
»Du sagst es«, konterte Steffi, »ein
normaler
Ehemann.«
Während die beiden Chauffeure mit der vorletzten Fähre über den Kanal schwammen, saßen wir in Janets gemütlichem Eßzimmer und futterten. Der Himmel mag wissen, wo sie kochen gelernt hatte, vielleicht war sie auch ein Naturtalent, jedenfalls mundete alles, was sie uns vorsetzte, großartig. Als ich nach der dritten Portion Applepie endgültig streikte, fragte sie besorgt, ob es mir nicht geschmeckt habe, ich hätte nur so wenig gegessen.
Der Abschied war lang und herzlich und endete mit Janets Zusage, das kommende Weihnachtsfest in Deutschland zu verleben. Sie würde auch einen echt englischen Christmascake mitbringen. Vorsichtshalber erkundigte sich Katja, ob sie den selber backen würde.
Nein, den kaufe sie immer bei Harrod’s, antwortete Janet.
Woraufhin Katja sofort abriet, sich mit einem doch sicher zerbrechlichen und vor allem teuren (bei Harrod’s ist
nichts
billig!) Kuchen zu belasten, sondern lieber mal deutschen Christstollen zu probieren.
Daß ich den auch immer fertig kaufe, sagte sie allerdings nicht.
Pünktlich um neun Uhr morgens, als ich dem Taxifahrer unser sofortiges Erscheinen signalisieren wollte, knallte ich mir zum letztenmal den Rahmen vom Schiebefenster auf den Ellenbogen. Das ist auch so eine typisch britische Einrichtung, mit der ich mich nicht hatte anfreunden können. An sich gefielen mir diese meist hellgetünchten Häuser mit den oft etwas altmodisch anmutenden Fassaden sehr gut, sie sehen schon von außen so gemütlich aus, doch an den Fensterkonstruktionen bin ich beinahe verzweifelt. Entweder gingen sie erst gar nicht auf, oder sie fielen gleich wieder runter. Und immer genau auf meinen Arm.
Zusammen mit dem Frühstück hatte uns Mrs. Hamilton die Rechnung und das Gästebuch serviert. Erstere war schnell erledigt, über dem zweiten brüteten wir gemeinsam eine geschlagene halbe Stunde, bis wir in hoffentlich wohlgesetzten Worten unsere Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht hatten. Das Wörterbuch lag nämlich schon im Koffer, und keinem von uns fielen die Vokabeln für »Betreuung« oder »Aufmerksamkeit« ein.
Vicky wartete bereits, und mit ihr zwei Koffer sowie eine Kosmetikbox. Zusammen mit unserem eigenen Gepäck, das beim besten Willen keinen Platz mehr im Transporter gefunden hatte, war das entschieden zuviel. In den Kofferraum meines Wagens würde nicht mal die Hälfte passen. Englische Taxis scheinen anders konzipiert zu sein, jedenfalls ging alles rein, sogar wir.
Nun ist es ohnehin nicht ganz einfach, sich an ein neues Familienmitglied zu gewöhnen, besonders dann nicht, wenn man es noch kaum kennt. Und wenn dieses neue Familienmitglied obendrein noch schuld ist, daß man beinahe sein Flugzeug verpaßt, stärkt diese Tatsache auch nicht unbedingt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Als nämlich Vicky ihr Kosmetikköfferchen durch den Scanner schob, fing der so laut zu piepsen an, daß sich sofort alle Blicke auf uns richteten. Mit dem Corpus delicti wurden wir in einen Nebenraum eskortiert – jawohl, eskortiert!
Rechts und links hatten wir je einen Polizisten als Seitendeckung! –, wo man erst unser Handgepäck durchsuchte und dann Vicky aufforderte, ihr Beautycase zu öffnen. Zum Vorschein kamen neben dem
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