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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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üblichen Kosmetikkram unzählige Schachteln und Schächtelchen, in denen noch kleinere Schächtelchen steckten, und überall lag ein Schmuckstück drin. Wunderhübsche Ringe, Kettchen, Broschen, Armbänder … Sichtlich entzückt, begutachtete die Polizeibeamtin jedes einzelne Stück, ließ sich erzählen, aus welchem Land es stammte (Südafrika und St. Thomas müssen besonders preiswerten Schmuck anbieten), wobei sie immer wieder bedauerte, bei ihrem letzten Urlaub in der Karibik keine Ahnung von den günstigen Einkaufsquellen gehabt zu haben, wo sie doch Smaragde so liebe.
    Gleich zu Beginn der Inquisition hatte Vicky eine Kopie ihrer Heiratsurkunde vorgezeigt, womit jeglicher Verdacht auf »heiße Ware« ausgeräumt worden war. Ihr Trauring glänzte ja auch noch ganz neu. Das Interesse an ihren Pretiosen beschränkte sich nur noch auf private weibliche Neugier. Die männliche Leibwache war ohnedies abgezogen, nachdem sie statt des erwarteten Weckers mit Zeitzünder nur eine Armbanduhr mit kleinen Brûlis drumherum gefunden hatte.
    In der drittletzten Schachtel lag ein herrlicher Rubinring, doch bevor sich Vicky wunschgemäß über Preis und Herkunft auslassen konnte, ertönte ein unüberhörbares Dingdong, gefolgt von einer Lautsprecherstimme, die die Passagiere Sanders aufforderte, sich unverzüglich zum Flugsteig 6 zu begeben. Dies sei der letzte Aufruf.
    Wir haben die Maschine noch bekommen, allerdings mit hängender Zunge und unter Hinterlassung dreier Regenschirme, die wir bei unserem überstürzten Aufbruch vergessen hatten. Wahrscheinlich sind sie einer karitativen Institution zugeführt worden oder ruhen noch heute zwischen Schildpattkämmen und elfenbeinernen Spazierstöcken in der Asservatenkammer des Flughafens Heathrow.
    Es war reiner Zufall, daß die Gattin unseres Heizöllieferanten in derselben Maschine saß. Der dazugehörige Ehemann stand mit Blümchen in der Empfangshalle und bekam Kulleraugen, als er neben mir Vicky entdeckte.
    »So, hen Se sich a B’süchle mitbrocht?«
    »Das ist kein Besuch, sondern meine Schwiegertochter«, klärte ich ihn auf.
    »Ha no, weller von dene Kerle hat denn g’heiert?«
    »Sascha.«
    »Und von derer Sach hat mer nix im Blättle glese?«
    Ach ja, das Blättle, wöchentlich erscheinende Nachrichtenbörse für sämtliche Schulen, Vereine und sonstige Institutionen, nicht zu vergessen seine Funktion als »Schwarzes Brett«, wo vom Abstellplatz für einen Wohnwagen bis zum Verkauf von Junghennen alles angeboten beziehungsweise gesucht wird. Am interessantesten sind aber die Familienanzeigen. Wer hat wen geheiratet, wer hat ein Kind gekriegt (»Das ist schon das sechste, ja, haben die denn keinen Fernseher?«), wer hat sich verlobt, und wer hat seine Gesellen-, Meister- oder sonstige Prüfung bestanden? Ich nahm mir vor, gleich morgen eine Vermählungsanzeige zu entwerfen, auf daß die gesamte Einwohnerschaft von Bad Randersau über unsere veränderten Familienverhältnisse informiert werde.
    Das mußte sein, sonst sprach sich die Neuigkeit viel zu langsam herum, und ich würde bei jedem gemeinsamen Auftreten in der Öffentlichkeit – einkaufen gehört auch dazu – langwierige Erklärungen abgeben müssen.
    Inzwischen war auch Herrn Schlemps Gattin erschienen, leicht echauffiert, weil ausgerechnet sie ihren Koffer hatte öffnen müssen (»wo ich doch no riet mol en Tee mitbrocht hab, was mer jo derf«), und nun mußte ich noch einmal nähere Erläuterungen herunterbeten. Frau Schlemp begutachtete Vicky von Kopf bis Fuß, um dann gönnerhaft festzustellen: »A hibsches Madie hot er sich do ausguckt.
    Wo kommet Se denn her?«
    Hilflos sah mich Vicky an. Sie hatte natürlich kein Wort verstanden. »Meine Schwiegertochter ist Engländerin und spricht noch kein Deutsch.«
    »Ha, so ebbes aber au. Wie tun Se no mit ihra schwätze?«
    »Englisch, wie denn sonst?« sagte Katja patzig, ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trippelnd.
    »Könnt ihr euch nicht ein anderes Mal unterhalten?«
    »Recht hosch, Madie«, bestätigte Herr Schlemp erleichtert. »Machet mer, daß mer hoimkomma.«
    Da fiel mir etwas ein. »Haben Sie in Ihrem Wagen vielleicht noch Platz für zwei Koffer?« Ich deutete auf unseren überladenen Gepäckkarren. »In mein Auto kriege ich das alles nicht rein.«
    »Aber freilich«, sagte Herr Schlemp sofort, »welle soll ich denn nemma?«
    »Die beiden größten. Wir holen sie nachher gleich ab.«
    »Das braucht’s net, die bring ich Ihna scho vorbei.

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