Werden sie denn nie erwachsen?
einmal verwünschte ich Saschas kosmopolitische Anwandlungen. Hätte er nicht etwas Deutschsprachiges heiraten können? Meinetwegen eine Schweizerin, sofern sie nicht gerade aus Bern stammte, oder jemanden aus dem Elsaß? Sogar eine Österreicherin hätte ich in Kauf genommen, obwohl meine eigenen Erfahrungen mit dieser Spezies nur auf dem Logierbesuch von Tante Elfi beruhten, jener nach Amerika ausgewanderten Freundin meiner Mutter, die uns eine Woche lang heimgesucht und sich ausschließlich von Steaks und Whisky ernährt hatte.
Abgesehen von den sonstigen Folgen war das eine kostspielige Angelegenheit gewesen. Doch außer Champagner, den wir sowieso nie im Haus hatten, trank Vicky keinen Alkohol, also hätte sie meinethalben ruhig Österreicherin sein können. Aber sie war nun mal Engländerin, sprach außer einigen Höflichkeitsfloskeln noch immer kein Wort Deutsch, und so blieb es wieder einmal an mir hängen, meine Schwiegertochter zu unterhalten. Zum Glück befanden wir uns in einer Schule, und die dazugehörigen Vokabeln lernt man bereits in der ersten Englischstunde. So beschloß ich, ihr das ganze Gebäude zu zeigen. Schon im Physiksaal wurde es schwierig. Was, bitte sehr, heißt Bunsenbrenner auf englisch?
Ohnehin schien Vicky herzlich wenig Wert zu legen auf meine unqualifizierten Erläuterungen, und so war ich heilfroh, als Dr. Greininger unseren Weg kreuzte. »Sie können das doch viel besser!« sagte ich sofort. »Wollen Sie meiner Schwiegertochter nicht mal zeigen, wie eine deutsche Schule von innen aussieht?«
»Auf jeden Fall unmoderner als eine englische«, erwiderte er prompt. »Die sind da drüben viel besser ausgestattet als wir, zumindest auf technischem Gebiet. Fast überall haben sie schon richtige Sprachlabors.«
Dann war Vicky auf die falsche gegangen, sonst hätte sie wenigstens ein
bißchen
Deutsch können müssen.
Umgekehrt war ich immerhin in der Lage, mich halbwegs geläufig über das Wetter und neuerdings sogar über die Londoner Sehenswürdigkeiten zu unterhalten.
Ich begab mich auf die Suche nach den Meinen. Sascha laberte noch immer mit seinen Freunden, die Zwillinge vermutete ich in der Aula, wo die Big Band endlich Beat statt Beethoven spielen durfte, was sie im übrigen auch viel besser konnte, und Steffi war nirgends zu finden. Also gesellte ich mich dorthin, wo ich den ungeschriebenen Regeln zufolge hingehörte: zu den Müttern. Nach neun Schuljahren und mindestens drei Dutzend Elternabenden kennt man sie alle. Offenbar hatte man schon auf mich gewartet, denn ich wurde sofort mit Fragen überschüttet.
Welche Zukunftspläne denn die Zwillinge hätten und ob es stimme, daß sie als Entwicklungshelferinnen nach Afrika gehen würden.
»Wer hat denn diesen Unsinn aufgebracht?«
Das wußte niemand so ganz genau, aber die Katja habe dem Ritchie erzählt, daß es ihr in Kenia so gut gefallen habe, sie aber nicht einem einzigen Entwicklungshelfer begegnet sei, obwohl die immer noch dringend nötig seien, und überhaupt sollte man viel mehr für die Länder der dritten Welt tun.
So also entstehen Gerüchte!
Ich beeilte mich, meine Zuhörer über die Berufspläne meiner Töchter aufzuklären. So so, also Lehrerinnen wollten sie werden? Na ja, bei dem nicht gerade überwältigenden Notendurchschnitt der beiden waren die Studienmöglichkeiten natürlich eingeschränkt, und die vielen Aussiedler würden ja auch alle Kinder mitbringen, da brauche man Lehrer. Holger dagegen würde selbstverständlich die juristische Laufbahn einschlagen und später die Kanzlei seines Vaters übernehmen. (Und vermutlich genauso ein Ekel werden wie der Papa, der sich beim letzten Elternabend eine halbe Stunde lang über die fehlenden Parkplätze ausgelassen hatte. Der neue Golf seines Sohnes weise bereits zwei unübersehbare Schrammen auf, lediglich auf das unzumutbare Rangieren zwischen den engen Abstellplätzen zurückzuführen.) Niels würde natürlich Medizin studieren, Kristina wollte Dolmetscherin werden und Daniel Pilot. Wegen der Stewardessen, hatte Nicki vermutet, denn er galt schon seit etlichen Jahren als Klassen-Casanova. Zwei Anwärterinnen für den Nobelpreis gab es auch schon; Sandra und Anne wollten sich auf die Biochemie und dort wiederum auf die Genforschung werfen, während Heiko das väterliche Gut bewirtschaften würde, wozu er allerdings erst ein Studium der Agrartechnik benötigte.
Anscheinend war er nicht auf den Anbau von Zuckerrüben erpicht.
Dagegen konnte ich mit meinen
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