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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Ansprachen zu übersetzen. Er tat es mit einer unerwarteten Bereitwilligkeit und so gründlich, daß Vicky mich später fragte, ob die Reden wirklich so entsetzlich langweilig gewesen seien.
    Zuerst sprach der Direx. Der hatte so etwas schon oft getan und faßte sich kurz. Dann kam der stellvertretende Direktor, der mit Beginn des neuen Schuljahres das Amt seines Vorgängers übernehmen würde und noch nicht so geübt war. Seine Ansprache dauerte einundzwanzig Minuten. Danach folgte die Elternbeiratsvorsitzende. Da ihre Tochter auch zu den Schulabgängern gehörte, verabschiedete sie sich nur kurz und übergab ihre Aufgaben mit einigen netten Worten der bereits gewählten Nachfolgerin. Die wiederum brauchte achtzehn Minuten, um sich einzuführen, was ohnehin niemanden interessierte, denn mit ihr würden wir ja nichts mehr zu tun haben. Dann kamen noch der Schulsprecher und zum Schluß die Rede des Einser-Abiturienten.
    Es ist mir schon immer ein Rätsel gewesen, weshalb ausgerechnet der Jahrgangsbeste dazu verdonnert wird, die unerläßliche Eloge auf Schule und Lehrerkollegium zu halten. Eine Einskommaund in Mathe und Physik ist doch nicht gleichbedeutend mit Rhetorik, und eine sonst mittelmäßige Schülerin vielleicht viel eher befähigt, eine spritzige, amüsante Rede aufzusetzen. Aber nein, die Tradition will es anders.
    Da stand er nun, der arme Kerl, kaum wiederzuerkennen im dunklen Anzug mit Kulturstrick um den Hals – ich hatte ihn immer nur in Jeans gesehen –, blätterte fahrig im mitgebrachten Manuskript, räusperte sich und legte los.
    Was er sagte, weiß ich nicht mehr, ich hatte Mühe, die Augen aufzuhalten. Opa vor mir war bereits selig entschlummert, und zwei Reihen hinter mir schnarchte es auch schon. Sogar der Direx ganz vorne gähnte alle zwei Minuten verstohlen in sein Programmheft hinein. Wen wundert’s? Die musikalischen Einlagen mitgerechnet, hockten wir seit anderthalb Stunden auf unseren Holzstühlen und ließen uns vollblubbern.
    Endlich brandete Beifall auf. Es mußten doch noch einige wach geblieben sein. Ob Niels wohl ahnte, daß achtzig Prozent des anhaltenden Klatschens Ausdruck der Erleichterung war?
    Nun folgte noch die Zeugnisausgabe, also das von den Zwillingen befürchtete Spießrutenlaufen, wenn die Schüler einzeln nach vorne kommen und sich so dem gesamten Auditorium präsentieren mußten, begleitet von halblaut gemurmelten Kommentaren. »Des Kleid von der Saschkia isch aber scho a bißle arg g’wagt, findsch riet au, Albert? Wundre tut’s mi gar net, die isch jo scho als Vierzehnjährig mit so em schulterfreie Hemdle rumglaufe.« – »Wie ka mer bei so aner Figur so an Rock ozieha? Gugg mal g’scheit na, Willi, wenn ich’s net besser wüßt, tat ich sage, da Angelika isch schwanger.« – »Dem Thomas sei Eltern hätte dem Bua amol an richtige Ozug kaufe könne anstatt dem Jackie, mit dem er scho beim Tanzschtundeball rumglaufe isch. Des Geld dazu hend se doch.« – »Ebe net, Herta, die neue Scheuer isch viel teurer, wie se ’dacht hend.«
    Hier kannte eben jeder jeden, ganz besonders dann, wenn man im selben Dorf wohnte. Der liebe Gott weiß alles, aber die Nachbarn wissen mehr!
    Dann war auch das überstanden. Kaum hatte Ziegler, Anita, als letzte ihr Zeugnis in Empfang genommen, da setzte ein Run auf die Toiletten ein. Die mit einer weniger sensiblen Blase ausgestatteten Eltern drifteten in die entgegengesetzte Richtung, wo in mehreren Klassenräumen lange Tische aufgebaut waren. Seinen Stuhl hatte bitte sehr jeder selbst aus der Aula mitzubringen. Das kalte Büfett hatte man in den Handarbeitssaal verlegt, da waren die Tische breiter. Mit Vergnügen stellte ich fest, daß die beiden Schüsseln mit meinem Kartoffelsalat schon fast leer waren, obwohl er so gar keine Ähnlichkeit hat mit der hiesigen Variante.
    Schwäbischer Kartoffelsalat besteht nämlich aus Zwiebeln, Pfeffer, Salz und lauwarmem Wasser. Nimmt man statt dessen Fleischbrühe, schmeckt er ein bißchen besser, aber nicht viel.
    Nachdem Vicky ihr Karnickelfutter verdrückt und nichts Eßbares mehr gefunden hatte, das weder Fleisch, Wurst noch Eier enthielt, drängte sie ihren Mann zum Aufbruch.
    Der hatte jedoch gar keine Lust dazu. Erstens war er noch gar nicht richtig satt, und zweitens hatte er ein paar frühere Klassenkameraden entdeckt. Die Zwillinge hatten sich auf den Schulhof verkrümelt, wo die feierliche Bücherverbrennung stattfinden sollte. Steffi konnte ich auch nirgends finden.
    Wieder

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