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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Babysitterdienst im Zeltlager angetreten. Der anfängliche Enthusiasmus, mit dem sie sich in die völlig ungewohnte Aufgabe gestürzt hatten, war bald verflogen. »Weißt du, was das größte Hindernis ist für ein gutes Verhältnis zwischen Betreuern und Kindern?« fragte mich Nicki am Telefon. Die Antwort gab sie gleich selber: »Kinder!«
    »Wie alt sind denn deine Schutzbefohlenen?«
    »Zwischen sechs und neun, also genau die Altersgruppe, die ich mir später mal aufhalsen will. Ob ich nicht doch lieber Archäologie wählen soll? Da sind die Studienobjekte nicht so entsetzlich lebendig.« Ein tiefer Seufzer kam durch den Hörer. »Na ja, vielleicht muß man berücksichtigen, daß die Kids jetzt Ferien haben. Im Klassenzimmer kann ich sie wenigstens zusammenstauchen. – Ach ja, Määm, was ich noch fragen wollte: Was macht man, wenn sich so ein Gör drei Hände voll Seesand in den Mund stopft? Ich hab’ ihm erst mal einen halben Liter Wasser verordnet. War das richtig?«
    »Keine Ahnung, aber paß auf, daß es jetzt nicht noch Zement frißt!«
    Katja hatte andere Probleme. »Also eins weiß ich mit Sicherheit«, sagte sie überzeugt, »Religionsunterricht gebe ich nie! Wir hatten heute früh einen ökumenischen Gottesdienst, echt locker aufgezogen das Ganze, sogar den drei Moslems hat es gefallen. Als ich hinterher unser verzogenes Architektensöhnchen gefragt habe, ob es eigentlich weiß, was ›Preiset den Herrn‹ bedeutet, da sagt dieser Knabe doch prompt: ›Bezahlt den Mann!‹ – Mir ist glatt die Kinnlade runtergeklappt. Was soll ich denn machen, wenn ich später mal so einen Typ in meiner Klasse habe?«
    »Hoffen, daß er katholisch ist.«
    An sich hätte ich jetzt genug Zeit gehabt, mich an die Schreibmaschine zu setzen und an meinem seit Monaten ruhenden Manuskript zu arbeiten. Ich versuchte es sogar, doch es kam nichts dabei heraus. Die ungewohnte Stille im Haus war mir unheimlich. Hatte ich früher leise geflucht, wenn alle zehn Minuten jemand in mein Zimmer getrampelt war und meine geistigen Höhenflüge unterbrochen hatte, so fehlten mir jetzt diese ewigen Störungen. Ich wurde ja überhaupt nicht mehr gebraucht!
    Wie sollte das erst werden, wenn die Mädchen ihr Studium aufgenommen hätten? Dann würden sie bestenfalls nur noch zum Wochenende zu Hause sein.
    Zwar näherte ich mich in beängstigendem Tempo dem Rentenalter, doch so ein beschauliches Ruhestandsdasein war das Letzte, was ich mir vorstellen konnte. Keine Jugend mehr im Haus, dafür doppelt soviel Ehemann und halb soviel Geld.
    Und dann war endlich wieder alles beim alten. Die Zwillinge kamen zurück. Außer zwei Koffern voll Dreckwäsche hatten sie eine herrenlose Wüstenspringmaus mitgebracht, die der eigentliche Besitzer im Trubel der Abreise wohl vergessen hatte, und als ich mich über Lebens- und Ernährungsgewohnheiten dieses Winzlings kundig gemacht hatte, benutzte er seine abendliche Freilaufstunde zur Flucht in den Garten, wo wir ihn natürlich niemals wiederfanden. Den verwaisten Käfig bezog ein Streifenhamster namens Elvira, der wenig später aus biologischen Gründen in Elvirus umgetauft wurde. Zur Zeit haben wir Elvirus den Vierten.
    Mitte September begaben wir uns auf »Budensuche«, und bereits im Oktober hätte ich ohne weiteres in Heidelberg Taxifahrer werden können. Zuerst versuchten wir es über Makler. Die meisten winkten gleich ab, weil sie entweder erst gar keine Studenten vermittelten (»Was können denn diese jungen Leute schon zahlen?«) oder nichts Geeignetes im Angebot hatten und mit Sicherheit auch nicht bekämen. Das waren die mit den futuristischen Büros in der Innenstadt und bebildertem Katalog, in dem die Mieten bei zweieinhalbtausend Mark anfingen. Nur einer zeigte sich interessiert. Er wollte wissen, wieviel wir denn auszugeben bereit wären, und als ich ihm die Summe nannte, meinte er, man könne auch über einen geringeren Betrag reden, sofern die Mädchen an seinen monatlich stattfindenden Herrenabenden teilnähmen. Da sich dieser Dialog am Telefon abspielte, ist diesem Prachtexemplar seiner Zunft die wohlverdiente Ohrfeige erspart geblieben.
    Als nächstes probierten wir es mit Anzeigen. Erst waren sie sachlich, dann betont originell im Stil von »Suche Badezimmer mit kleiner Wohnung drumherum«, aber das nützte auch nichts. Angebote hatten wir bekommen, doch was für welche?
    Da war zum Beispiel die gemütliche Dachgeschoßwohnung in einem romantischen Bauernhaus, etwas außerhalb gelegen.

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