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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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aber auch nicht gar zu lange auf seinen Nacken niedergehend trägt, so erfüllet einem alten Manne die Bitte, und seid morgen zwischen zehn und eilf Uhr in der Kirche von Sankt Peter.‹
    Der Brief hatte keine Unterschrift, und Hugo hielt ihn verblüfft in seinen Händen. Die Schrift war augenscheinlich die eines Mannes, und zwar eines alten Mannes, wie die festen, starken, aber zitternden Züge verrieten. Allein was der Mann von Hugo wollte, und warum er nicht lieber gleich zu ihm in die Stube gekommen sei, war nicht zu enträtseln.
    ›Wer weiß, ob ich auch der Mann mit den wundersamen, schönen blonden Locken bin, oder ob es nicht einen andern gibt, der noch wundersamere, schönere und blondere hat‹, sagte Hugo lächelnd zu sich, und wäre bald versucht gewesen, in den Spiegel zu schauen. Aber der Name, auf den der Brief lautete, war der seine. Und in der Tat, die Locken, die an den Seiten seiner Stirne nieder gingen, waren wundersam genug. Wenn blonde Locken kräftig sind und den milden Metallglanz haben, so kann man sich an jungen Menschen kaum etwas Schöneres denken. Hugo hatte darunter eine reine Stirne, Von zwei geistvollen, klaren Augenbogen geschnitten, feines starkes Wangenrot und die Lippen frisch und kräftig, die noch von keinem Menschen dieser Erde, nicht einmal von einem Kinde, geküßt worden sind. Die Augen hatte er von der Mutter, groß und blau. Sie waren so gut, daß, hätten sie sich nicht eben jetzt ins Männliche hinüber verändert, man gesagt haben würde, er hätte sie von einer edlen, schönen Frau empfangen. Überhaupt sah er viel jünger aus, als seine Jahre waren, und er hatte von manchem aus dem Kriegerstande, die er bei seinen Übungen kennen gelernt hatte, und die ihn gelegentlich besuchten, einigen Hohn und Scherz zu erfahren, da sie ihn spottweise nur immer den heiligen Aloisius nannten.
    Eben, da er so stand, ließen sich klirrende Tritte durch sein Vorstübchen gegen sein Gemach vornehmen. Er riß den Brief, der auf dem Tische lag, an sich, verbarg ihn in der Tasche, und ward so rot, als hätte er eine Schandtat begangen. Es geschahen ein paar nachlässige Schläge an seine Tür, und ohne Umstände trat der Besuch herein. Es war eben so ein junger Mann kriegerischen Ansehens, wie wir oben von ihnen geredet haben. An den Stiefeln tönten die Sporen. Unter einem rauhen »Guten Tag, Freund« legte er den Hut hin, warf sich in den Armsessel und begann ein Gespräch, das er über den Dienst, über lange Weile, über Theater, Mädchen und Pferde führte. Hugo hörte ihn an und erwiderte manchmal etwas auf höfliche Weise. Als er endlich fragte, ob sich denn gar nichts Neues zugetragen habe, das nur einige Abwechslung in die Zeit bringe, sagte ihm Hugo von dem Briefe nichts, sondern erwiderte, daß sich wahrscheinlich nichts zugetragen habe, was man seiner besondern Aufmerksamkeit wert halten und ihm anvertrauen möchte.
    Da Hugos Bekannte schon wußten, daß er sich in seiner gewohnten Einteilung der Zeit nicht irre machen ließe, so trat er auch jetzt an den Tisch und fing auf seinen großen schwarzen Schiefertafeln aus einem Buche zu rechnen an. Der Mann, der zu Besuche da war, nahm seine Pfeife heraus, rauchte, blätterte in einem Buche, und begleitete endlich Hugo aus dem Hause, da dieser den Griffel weglegte und erklärte, daß er jetzt zu seinem Mittagsessen gehen werde. An der Schwelle des Gasthauses, in dem Hugo gewöhnlich aß, trennten sie sich.
    Am andern Tage, genau als die Uhr von Sankt Peter zehn schlug, trat Hugo durch das große Tor in die Kirche. Er hatte wohl flüchtig daran gedacht, daß die Bestellung etwa ein Scherz eines seiner Kameraden sein könnte; aber zum Teile stand er mit keinem so, daß dieser Scherz leicht denkbar gewesen wäre, zum andern Teile hatte er sich nichts vergeben, wenn er kam, selbst wenn ein Scherz statt gefunden haben sollte.
    Es wurde am Hauptaltare in der Kirche eben eine Messe gelesen, die zu dieser Stunde angesetzt ist. An einem der Seitenaltäre trat gleichfalls ein Priester über. In Stühlen saßen allerlei Menschen herum, andere standen heraußen auf dem Pflaster, wieder andere knieten teils in den Stühlen, teils in den breiten Gängen der Kirche. Hoch oben durch die Fenster wallte ein Sonnenstrom herein und setzte den ruhig erhabenen Raum in warmes Feuer. Hugo war vor sich selber in einiger Verlegenheit, da ihm sein Gefühl sagte, daß er heute nicht aus Andacht in die Kirche gekommen sei; aber da er entschlossen war, den

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