Werke
denn das ist dein erstes.«
Witiko stand nach diesen Worten auf, näherte sich der Frau des mittleren Alters, ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, und sagte: »Ich grüße dich, meine gute vielgeliebte Mutter!«
»Ich grüße dich, mein treuer Sohn«, antwortete die Frau.
Sie zog ihn an seiner Hand empor, und legte ihre Hände auf sein Haupt.
Da sie dieselben herab genommen hatte, beugte er sich auf ihre rechte Hand nieder, und küßte sie.
Als er sich wieder erhoben hatte, und in ihr Angesicht schaute, waren in ihren Augen Tränen, und es waren in seinen Augen Tränen.
Die zwei jungen Frauen hörten zu sticken auf, und sahen auf die Mutter und den Sohn.
»Gehe wieder auf deinen Platz, Witiko«, sagte die Mutter, »und erweise der hohen Frau, die dich vor ihr Angesicht gerufen hat, deine Verehrung.«
Witiko aber blieb auf seiner Stelle stehen, und sprach: »Ja, die Verehrung, welche der erhabenen Frau gebührt, die Verehrung, welche sich gegen die Tochter des denkwürdigen Kaisers Heinrich geziemt, die Verehrung, welche der Mutter des deutschen Königs Konrad zukömmt, die Verehrung, welche ich der Mutter Gertruds, der Gattin Wladislaws, des Herzogs von Böhmen und Mähren, zolle, die bei der Belagerung von Prag eine Heldin geworden ist, die Verehrung, welche ich gegen die Frau hege, die in ihren Söhnen und Töchtern auf geistlichen und weltlichen Stühlen und auf den Kriegsfeldern und im Fürstenrate waltet, und die Verehrung, die der Jüngling der Frau bringt.«
»Witiko«, antwortete Agnes, »meine Schwiegertochter Maria hat mir erzählt, daß ihr Vater Sobeslaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, gesagt hat, du könnest, wenn du auch noch jung bist, deine Worte gut stellen, und du hast uns ein Zeichen davon gegeben. Ich glaube, daß du mich verehrest, aber es ist für meine weißen Haare und für meinen gebeugten Körper, wie stets ein Alter wirkt, über welches Gott viel verhängt hat.«
»Hocherhabne Frau«, sagte Witiko, »der Herzog Sobeslaw ist immer mild gegen mich gewesen, und meine Worte rede ich nach meinen Gedanken, und kann oft die Gedanken nicht in Worte bringen. In dir aber verehre ich, was du bist, und verehre auch dein Alter.«
»Gehe zu deinem Sitze, Witiko«, sagte Agnes, »und harre noch eine Frist, ich werde dich deiner Mutter nicht lange entziehen.«
Witiko ging zu seinem Stuhle, und setzte sich auf denselben nieder.
»Bist du von Pric gekommen?« fragte Agnes.
»Ich bin von Pric gekommen«, antwortete Witiko; »aber ich habe von Pric den hochehrwürdigen Bischof von Olmütz, Zdik, der auf der Flucht ist, nach Passau geleitet, und bin dann von Passau donauabwärts nach Wien gefahren.«
»So ist der Bischof Zdik auf der Flucht?« fragte Agnes.
»Wegen der Mächtigen in seinem Lande, die einen schweren Groll gegen ihn tragen«, sagte Witiko.
»Es ist immer so, und immer so«, entgegnete Agnes.
»Wie lange hast du deine Mutter nicht gesehen, Witiko?«
»Vier Jahre«, antwortete Witiko.
»Er ist in dem nämlichen Gewande gekommen, in welchem er Abschied genommen hat«, sagte die Mutter.
»So hast du dein Jugendgewand angelegt?« sprach Agnes.
»Ich habe das Gewand angelegt«, antwortete Witiko, »weil ich dachte, daß auch die Mutter daran Freude habe, und dann ziemt mir ein schönes Ritterkleid noch wenig, weil ich noch keine Rittertaten habe vollbringen können, die von dem Herrn des Landes, dem man dient, und von fürstlichen Gebietern mit Verleihungen ausgezeichnet werden, und die den Ruhm und den Glanz vor den Menschen erringen.«
»Dieser junge Ritter spricht auch wieder von Taten«, sagte Agnes, »und weiß man denn, was Taten sind? Siehe, Witiko, heute ist hier ein Gedenktag, und ich habe, als du kamest, eben den Frauen von der Vergangenheit erzählt. Ich will weiter erzählen, dir kann es auch fruchten, Witiko, wenn du es hörst, und in deinen Gedanken überlegst.«
Sie schwieg eine Weile, dann sprach sie: »Mein Vater hat seinen Sohn Konrad zum erwählten römischen König gemacht, und er sollte nach ihm römischer Kaiser werden. Aber Konrad stand gegen den Vater auf, und wollte ihm die Herrschaft entreißen. Die Fürsten entsetzten ihn auf dem Reichstage in Mainz seines Königtumes und seines Anrechtes auf das Kaisertum, weil keine Gewalt auf Frevel gegründet werden sollte. Der Vater zog jetzt seinen geliebten jungen Sohn Heinrich hervor, und derselbe wurde zum römischen Könige und Nachfolger des Vaters erwählt. Er wurde in Aachen gekrönt, und schwur,
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