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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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bleiben?
    Anton
. Gemach, Herr Chrysander! ich nehme an den Torheiten Ihres Sohnes keinen Teil. Mehr als zwölfmal habe ich ihm heute schon auf die Post laufen müssen. Er verlangt Briefe von Berlin. Ist es meine Schuld, daß sie nicht kommen?
    Chrysander
. Der wunderliche Heilige! Du bist aber nun schon so lange um ihn; solltest du nicht sein Gemüt, seine Art zu denken ein wenig kennen?
    Anton
. Ha! ha! das kömmt darauf hinaus, was wir Gelehrten die Kenntnis der Gemüter nennen? Darin bin ich Meister; bei meiner Ehre! Ich darf nur ein Wort mit einem reden; ich darf ihn nur ansehen: husch habe ich den ganzen Menschen weg! Ich weiß sogleich, ob er vernünftig, oder eigensinnig, ob er freigebig, oder ein Knicker – –
    Chrysander
. Ich glaube gar, du zeigst auf mich?
    Anton
. O kehren Sie sich an meine Hände nicht! – – Ob er – –
    Chrysander
. Du sollst deine Kunst gleich zeigen! Ich habe meinem Sohne eine Heirat vorgeschlagen: nun sage einmal, wenn du ihn kennst, was wird er tun?
    Anton
. Ihr Herr Sohn? Herr Damis? Verzeihen Sie mir, bei dem geht meine Kunst, meine sonst so wohl versuchte Kunst, betteln.
    Chrysander
. Nu, Schurke, so geh mit, und prahle nicht!
    Anton
. Die Gemütsart eines jungen Gelehrten kennen wollen, und etwas daraus schließen wollen, ist unmöglich; und was unmöglich ist, Herr Chrysander – – das ist unmöglich.
    Chrysander
. Und wie so?
    Anton
. Weil er gar keine hat.
    Chrysander
. Gar keine?
    Anton
. Nein, nicht gar keine; sondern alle Augenblicke eine andre. Die Bücher, und die Exempel, die er liest, sind die Winde, nach welchen sich der Wetterhahn seiner Gedanken richtet. Nur bei dem Kapitel von Heiraten stehen zu bleiben, weil das einmal auf dem Tapete ist, so besinne ich mich, daß – – Denn vor allen Dingen müssen Sie wissen, daß Herr Damis nie etwas vor mir verborgen hat. Ich bin von je her sein Vertrauter gewesen, und von je her der, mit dem er sich immer am liebsten abgegeben hat. Ganze Tage, ganze Nächte haben wir manchmal auf der Universität mit einander disputiert. Und ich weiß nicht, er muß doch so etwas an mir finden: etwa eine Eigenschaft, die er an andern nicht findet –
    Chrysander
. Ich will dir sagen, was das für eine Eigenschaft ist: deine Dummheit! Es ergötzt ihn, wenn er sieht, daß er gelehrter ist als du. Bist du nun vollends ein Schalk, und widersprichst ihm nicht, und lobst ihn ins Gesicht, und bewunderst ihn – –
    Anton
. Je verflucht! da verraten Sie mir ja meine ganze Politik! Wie schlau ein alter Kaufmann nicht ist!
    Chrysander
. Aber vergiß das Hauptwerk nicht! Vom Heiraten – –
    Anton
. Ja darüber hat er schon Teufelsgrillen im Kopfe gehabt. Zum Exempel; ich weiß die Zeit, da er gar nicht heiraten wollte.
    Chrysander
. Gar nicht? so muß ich noch heiraten. Ich werde doch meinen Namen nicht untergehen lassen? Der Bösewicht! Aber warum denn nicht?
    Anton
. Darum; weil es einmal Gelehrte gegeben hat, die geglaubt haben, der ehelose Stand sei für einen Gelehrten der schicklichste. Gott weiß, ob diese Herren allzugeistlich oder allzufleischlich sind gesinnt gewesen! Als ein künftiger Hagestolz, hatte er sich auch schon auf verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefaßt gemacht. – –
    Chrysander
. Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch, der dieses heilige Sakrament – – Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, daß sie den Ehestand für kein Sakrament wollen gelten lassen – – der, sage ich, dieses heilige Sakrament verachtet, kann sich der noch unterstehen, seine Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir etwas weis, denn nur vorhin, schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
    Anton
. Das ist unmöglich richtig zugegangen. Wie stellte er sich dabei an? Lassen Sie sehen: stand er etwa da, als wenn er vor den Kopf geschlagen wäre? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er darin lesen wollte? ließ er Sie etwa ungestört fort reden?
    Chrysander
. Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen hättest.
    Anton
. O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben, daß man ihn für zerstreut halten soll. Ich kenne seine Mucken. Er hört alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben, er habe es vor vielem Nachsinnen nicht gehört. Er antwortet zuweilen auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er nimmermehr zugestehen,

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