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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Es hat aber andre irrige Weltweisen gegeben, die Gott wirklich für die Seele der Natur gehalten haben, und die vom Spinosismo eben so weit abstehen, als von der Wahrheit. Sollte ihnen also Pope diese seltnen Redensarten abgeborgt haben, wie steht es um die Worte Extends thro’ all extent; Er dehnt sich aus durch alle Ausdehnung? Wird diese Lehre einem andern als Spinosen zugehören? Wer hat sonst die Ausdehnung der Natur für eine Eigenschaft Gottes gehalten, als dieser berufene Irrgläubige? Jedoch, wie gesagt, es stehet nicht zu glauben, daß Pope eben in diesen Briefen ein gefährliches System habe auskramen wollen. Er hat vielmehr – – und dieses ist es, was ich bereits oben, gleichsam a priori, aus dem, was ein Dichter in solchen Fällen tun muß, erwiesen habe, – – bloß die schönsten und sinnlichsten Ausdrücke von jedem System geborgt, ohne sich um ihre Richtigkeit zu bekümmern. Und daher hat er auch keine Bedenken getragen, die Allgegenwart Gottes, Teils in der Sprache der Spinosisten, Teils in der Sprache derjenigen, die Gott für die Seele der Welt halten, auszudrücken, weil sie in den gemeinen rechtgläubigen Ausdrücken all zu idealisch und all zu weit von dem Sinnlichen entfernt ist. Eben so wie sich Thomson, in seiner Hymne über die vier Jahrszeiten, nicht gescheuet hat, zu sagen: these as the changes – – are but the varied God. Ein sehr kühner Ausdruck, den aber kein vernünftiger Kunstrichter tadeln kann.
    Hätte sich Pope ein eignes System abstrahiert gehabt, so würde er ganz gewiß, um es in dem überzeugendsten Zusammenhange vorzutragen, aller Vorrechte eines Dichters dabei entsagt haben. Da er dieses aber nicht getan hat, so ist es ein Beweis, daß er nicht anders damit zu Werke gegangen, als ich mir vorstelle, daß es die meisten Dichter tun. Er hat diesen und jenen Schriftsteller über seine Materie vorher gelesen, und, ohne sie nach eignen Grundsätzen zu untersuchen, von jedem dasjenige behalten, von welchem er geglaubt, daß es sich am besten in wohlklingende Verse zusammenreimen lasse. Ich glaube ihm so gar, in Ansehung seiner Quellen, auf die Spur gekommen zu sein, wobei ich einige andre historisch kritische Anmerkungen gemacht habe, welchen ich folgenden Anhang widme.
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Anhang
    Warburton, wie bekannt, unternahm die Verteidigung unsers Dichters wider die Beschuldigungen des Crousaz. Die Briefe, die er in dieser Absicht schrieb, erhielten Popens vollkommensten Beifall. Sie haben mir, sagt dieser in einem Briefe an seinen Retter, allzuviel Gerechtigkeit widerfahren lassen; so seltsam dieses auch klingen mag. Sie haben mein System so deutlich gemacht, als ich es hätte machen sollen, und nicht gekonnt habe – – Man sehe die ganze Stelle unten in der Note, (1) aus welcher ich nur noch die Worte anführe: Sie verstehen mich vollkommen so wohl, als ich mich selbst verstehe; allein Sie drücken mich besser aus, als ich mich habe ausdrücken können.
    Was sagt nun denn aber dieser Mann, welcher die Meinung des Dichters, nach des Dichters eignem Geständnisse, so vollkommen eingesehen hat, von dem Systeme seines Helden? Er sagt: Pope sei durchaus nicht dem Hrn. von Leibniz, sondern dem Plato gefolgt, wenn er behauptet, Gott habe von allen möglichen Welten die beste wirklich werden lassen.
    Plato also wäre die erste Quelle unsers Dichters! – Wir wollen sehen. – Doch Plato war auch eine Quelle für Leibnizen. Und Pope könnte also doch wohl noch ein Leibnizianer sein, indem er ein Platoniker ist. Hierauf aber sagt Warburton »nein! denn Pope hat die Platonische Lehren in der gehörigen Einschränkung angenommen, die Leibniz auf eine gewaltsame Art ausgedehnt. Plato sagte: Gott hat die beste Welt erwählt. Der Herr von Leibniz aber: Gott hat nicht anders können, als die beste wählen.
    Der Unterschied zwischen diesen zwei Sätzen soll in dem Vermögen liegen, unter zwei gleich ähnlichen und guten Dingen, eines dem andern vorzuziehen; und dieses Vermögen habe Plato Gott gelassen; Leibniz aber ihm gänzlich genommen. Ich will hier nicht beweisen, was man schon unzähligmal bewiesen hat, daß dieses Vermögen eine leere Grille sei. Ich will nicht anführen, daß sie auch Plato dafür müsse erkannt haben, weil er bei jeder freien Wahl Bewegungsgründe zugesteht; wie Leibniz bereits angemerkt hat. (Theodizee 1. Abt. §. 45) Ich will nicht darauf dringen, daß folglich der Unterschied selbst wegfalle; sondern ich will ihn schlechter Dings so annehmen, wie ihn Warburton

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