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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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hinaufsteigt, wie Pope annimmt, sondern daß vollkommene und unvollkommene Wesen, ohne diese eingebildete Ordnung, durch einander vermengt sind? Eben so wenig werde ich die zweite Stelle zu widerlegen nötig haben, die oben zur Bestätigung dieses achten Satzes angeführt worden. Pope bezieht sich immer auf seine allmälige Degradation, die nur in seiner poetischen Welt die Wirklichkeit erlangt, in unserer aber gar nicht Statt gefunden hat.
    { ‡ }
Neunter Satz
    In diesem Satze sind oben zwei Ursachen des Übels in der Welt, nach Popens Meinung, angeführt worden; eine dritte Ursache aber, die der Dichter gleichfalls angibt, habe ich weggelassen, weil ich sie nicht begreifen konnte. Hier ist die Stelle aus dem vierten Briefe ganz:
    Or partial ill is universal good
    Or change admits, or Nature lets it fall.
    Die Worte Nature lets it fall habe ich so erklärt, als ob sie eben das sagten, was der Dichter mit den Worten Nature deviates sagen will. Diese nämlich, wenn sie einen verständlichen Sinn haben sollen, können nichts anders bedeuten als, daß die Natur, vermöge der allgemeinen Gesetze, die ihr Gott vorgeschrieben, manches hervorbringe, was den göttlichen Absichten zuwider sei, und nur deswegen von ihr zugelassen werde, weil er seinen allgemeinen Entschluß nicht ändern wolle.
    If the great end be human happiness,
    Then Nature deviats, and can Man do less?
    D. i. Wenn die Glückseligkeit des Menschen der große Zweck ist, und die Natur abweicht etc. Eben diesen Gedanken nun, glaub ich, hat Pope durch Nature lets it fall, die Natur läßt es fallen, ausdrücken wollen. Die Natur bringt manche Übel als Folgen aus den allgemeinen mechanischen Gesetzen hervor, ohne daß die göttliche Absicht eigentlich darauf gerichtet gewesen.
    Allein was für einen Sinn verknüpfen wir mit den Worten Or change admits, oder die Abwechslung läßt es zu? Kann nach Popens System – – wenn man es noch ein System nennen will – – etwas anders die göttliche Weisheit entschuldigen, daß sie Böses in der Welt zugelassen, als die Vollkommenheit des Ganzen, welches den besondern Teilen vorzuziehen gewesen, oder die Allgemeinheit der Gesetze, die Gott nicht hat stören wollen? Was für eine dritte Entschuldigung soll uns die Abwechslung oder die Veränderung darbieten?
    Ich denke hierbei nichts; und ich möchte um so viel lieber wissen, was diejenigen dabei denken, die sich dem ohngeachtet ein Popisches System nicht wollen ausreden lassen. Vielleicht sagen sie, eben diese letztere Stelle beweise, daß ich das wahre System des Dichters verfehlt habe, und daß es ein ganz anders sei, aus welchem man sie erklären müsse. Welches aber soll es sein? Wenigstens muß es ein ganz neues sein, das noch in keines Menschen Gedanken gekommen; indem allen andern bekannten Systemen von dieser Materie, hier und da in den Briefen, eben so wohl widersprochen wird.
    Zum Beweise berufe ich mich auf eine Stelle, die in dem ersten Briefe anzutreffen ist, und die eben so wenig mit unserm vorgegebenen Popischen Systeme, als mit irgend einem andern bestehen kann. Es ist folgende:
    Z. 259 und folgende
    All are but parts of one stupendous whole,
    Whose body Nature is, and God the soul;
    That, chang’d thro’ all, and yet in all the same
    – – – – – –
    Lives thro’ all life, extends thro’ all extent,
    Spreads undivided – – –
    – – – – –
    He fills, he bounds, connects, and equals all.
    D. i. Alle Dinge sind Teile eines erstaunlichen Ganzen, wovon die Natur der Körper und Gott die Seele ist. Er ist in allen Dingen verändert, und doch allenthalben eben derselbe – – Er lebt in allem was lebt; er dehnt sich aus durch alle Ausdehnung und verbreitet sich, ohne sich zu zerteilen – – Er erfüllt, umschränkt und verknüpft alles, und macht alles gleich. Ich bin weit davon entfernt, Popen hier gottlose Meinungen aufbürden zu wollen. Ich nehme vielmehr alles willig an, was Warburton zu dessen Verteidigung wider den Herrn Crousaz gesagt hat, welcher behaupten wollen, der Dichter habe diese Stelle aus des Spinosa irrigem Lehrgebäude entlehnt. Durchgehends kann sie unmöglich mit Spinosens Lehren bestehen. Die Worte
    Whose body Nature is, and God the soul,
    Wovon die Natur der Körper und Gott die Seele ist, würde Spinosa nimmermehr haben sagen können; denn der Ausdruck, Seele und Körper, scheinet doch wenigstens anzudeuten, daß Gott und die Natur zwei verschiedne Wesen sind. Wie wenig war dieses die Meinung des Spinosa!

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