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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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einander gegründet zu sein aufhören; denn da wird die Ordnung unterbrochen, oder welches eben so viel ist, der Raum bleibt leer. Dennoch aber behauptet Leibniz in einem weit strengern Verstande als Pope, daß die mindeste Veränderung in der Welt einen Einfluß in das Ganze habe, und zwar weil ein jedes Wesen ein Spiegel aller übrigen Wesen, und ein jeder Zustand der Inbegriff aller Zustände ist. Wenn also der kleinste Teil der Schöpfung anders, oder in einen andern Zustand versetzt wird, so muß sich diese Veränderung durch alle Wesen zeigen; eben wie in einer Uhr alles, sowohl dem Raume, als der Zeit nach, anders wird, sobald das mindeste von einem Rädchen abgefeilet wird.
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Neunter Satz
    Die Unvollkommenheiten in der Welt erfolgen, nach Popens System, entweder zum Besten des Ganzen (worunter man zugleich die Verhütung einer größern Unvollkommenheit mit begreift) oder weil keine allgemeinen Gesetze den göttlichen Absichten in allen besondern Fällen haben genug tun können.
    Nach Leibnizens Meinung hingegen müssen notwendig alle Unvollkommenheiten in der Welt zur Vollkommenheit des Ganzen dienen, oder es würde sonst ganz gewiß ihr Außenbleiben aus den allgemeinen Gesetzen erfolgt sein. Er behauptet, Gott habe die allgemeinen Gesetze nicht willkürlich, sondern so angenommen, wie sie aus der weisen Verbindung seiner besondern Absichten, oder der einfachen Regeln der Vollkommenheit, entstehen müssen. Wo eine Unvollkommenheit ist, da muß eine Ausnahme unvermeidlich gewesen sein. Keine Ausnahme aber kann Statt finden, als wo die einfachen Regeln der Vollkommenheit mit einander streiten; und jede Ausnahme muß daher vermöge einer höhern Ordnung geschehen sein, das ist, sie muß zur Vollkommenheit des Ganzen dienen.
    – – Wird es wohl nötig sein, noch mehrere Unterschiede zwischen den Popischen Sätzen und Leibnizischen Lehren anzuführen? Ich glaube nicht. Und was sollten es für mehrere Unterschiede sein? In den besondern moralischen Sätzen, weiß man wohl, kommen alle Weltweisen überein, so verschieden auch ihre Grundsätze sind. Der übereinklingende Ausdruck der erstern muß uns nie verleiten, auch die letztern für einerlei zu halten; denn sonst würde es sehr leicht sein, jeden andern, der irgend einmal über die Einrichtung der Welt vernünfteln wollen, eben so wohl als Popen, zum Leibnizianer zu machen.
    Verdient nun aber Pope diese Benennung durchaus nicht, so wird auch notwendig die Prüfung seiner Sätze etwas ganz anders, als eine Bestreitung des Leibnizischen Systems von der besten Welt sein. Die Gottschede sagen, sie werde daher auch etwas ganz anders sein, als die Akademie gewünscht habe, daß sie werden möchte. Doch was geht es mich an, was die Gottschede sagen; ich werde sie dem ohngeachtet unternehmen.
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Dritter Abschnitt
    Prüfung der Popischen Sätze
    Ich habe oben gesagt, Pope, als ein wahrer Dichter, müsse mehr darauf bedacht gewesen sein, das sinnlich Schöne aus allen Systemen zusammen zu suchen, und sein Gedicht damit auszuschmücken, als sich selbst ein eignes System zu machen, oder sich an ein schon gemachtes einzig und allein zu halten. Und daß er jenes wirklich getan habe, bezeugen die unzähligen Stellen in seinen Briefen, die sich mit seinen obigen Sätzen auf keinerlei Weise verbinden lassen, und deren einige sogar ihnen schnurstracks zuwider laufen.
    Ich will diese Stellen bemerken, indem ich die Sätze selbst nach der Strenge der Vernunft prüfe.
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Zweiter Satz
    Durch welche Gründe kann Pope beweisen, daß die Kette der Dinge in der besten Welt nach einer allmäligen Degradation der Vollkommenheit geordnet sein müsse? Man werfe die Augen auf die vor uns sichtbare Welt! Ist Popens Satz gegründet; so kann unsre Welt unmöglich die beste sein. In ihr sind die Dinge nach der Ordnung der Wirkungen und Ursachen, keines Weges aber nach einer allmäligen Degradation neben einander. Weise und Toren, Tiere und Bäume, Insekten und Steine sind in der Welt wunderbar durch einander gemischt, und man müßte die Glieder aus den entlegensten Teilen der Welt zusammen klauben, wenn man eine solche Kette bilden wollte, die allmälig vom Nichts bis zur Gottheit reicht. Dasjenige also, was Pope den Zusammenhang nennt, findet in unsrer Welt nicht Statt, und dennoch ist sie die beste, dennoch kann in ihr keine Lücke angetroffen werden. Warum dieses? Wird man hier nicht augenscheinlich auf das Leibnizische System geleitet, daß nämlich, vermöge der

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