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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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lebhafteste Erstaunen, ja, er fuhr auf, wie im jähen Schreck, als Deodatus die Namen Natalie – Graf Hektor von Zelies nannte.
    Deodatus hatte seine Erzählung geendet, der Fürst schwieg mit niedergebeugtem Haupt, in tiefes Nachdenken versunken, dann erhob er sich, stürzte los auf Deodatus und rief: »Ha, der Verruchte, dieses Herz sollte die Kugel durchbohren, die letzte Hoffnung wollte er töten, dich vernichten – dich, mein –«
    Ein Tränenstrom erstickte des Fürsten Worte, er schloß, ganz Wehmut und Schmerz, den Deodatus in seine Arme, drückte ihn heftig an seine Brust.
    Doch plötzlich prallte wie vorher der Fürst voll Entsetzen zurück und rief, indem er die geballte Faust emporstreckte: »Fort, fort! Schlange, die sich einnisten will in meiner Brust – fort! Du teuflisches Trugbild, du sollst meine Hoffnung nicht töten, du sollst mir mein Leben nicht verstören!«
    Da, rief eine ferne, seltsam dumpfe Stimme:
    »Die Hoffnung ist der Tod, das Leben dunkler Mächte grauses Spiel!« und krächzend flatterte ein schwarzer Rabe auf und hinein ins Gebüsch.
    Sinnlos stürzte der Fürst zu Boden. Deodatus, zu schwach, ihm beizustehen, rief laut um Hilfe. Der Leibarzt fand den Fürsten vom Schlage getroffen und in dem bedenklichsten Zustande. Deodatus wußte selbst nicht, welches unnennbar schmerzhafte Gefühl des tiefsten Mitleids seine Brust durchdrang, er kniete nieder bei der Tragbahre, auf die man den Fürsten gelegt, er küßte seine welk herabgesunkene Hand und benetzte sie mit heißen Tränen. Der Fürst kam zu sich, die wie zum Tode erstarrten Augen hatten wieder Sehkraft. Er erblickte Deodatus, winkte ihm fort und rief mit bebenden Lippen kaum verständlich: »Weg – weg!«
    Deodatus, tief erschüttert von dem Auftritt, der in das Innerste seines Lebens zu dringen schien, fühlte sich der Ohnmacht nahe, und auch seinen Zustand fand der Leibarzt so bedenklich, daß es nicht ratsam war, ihn zurückzubringen nach Hohenflüh.
    Habe auch, meinte der Leibarzt, der Fürst den Willen geäußert, daß der junge Mensch sich wegbegeben solle, so könne er doch fürs erste in einem entfernten Flügel des Landhauses untergebracht werden, und es sei gar nicht zu befürchten, daß der Fürst, der wohl in langer Zeit nicht aus dem Zimmer kommen dürfte, seinen Aufenthalt im Landhause erfahren sollte. Deodatus, in der Tat so erschöpft, daß er keines Willens, keines Widerspruchs fähig, ließ es sich gefallen, im Landhause des Fürsten zu bleiben.
    War es schon sonst im Landhause still und traurig, so herrschte jetzt bei der Krankheit des Fürsten das Schweigen des Grabes, und Deodatus gewahrte nur dann, wenn ein Diener ihn mit den nötigen Bedürfnissen versorgte oder der Wundarzt ihn besuchte, daß noch außer ihm Menschen im Landhause befindlich. Diese klösterliche Einsamkeit tat indessen dem von allen Seiten bestürmten Deodatus wohl, und er hielt eben das Landhaus des Fürsten für ein Asyl, in das er sich vor dem bedrohlichen Geheimnis, das ihn umgarnen wolle, gerettet.
    Dazu kam, daß durch die schmucklose, aber freundliche bequeme Einrichtung der beiden kleinen Zimmer, die er bewohnte, vorzüglich aber durch die herrliche Aussicht, die er genoß, sein Aufenthalt jenen Reiz wohltuender Behaglichkeit erhielt, der das verdüstertste Gemüt aufzuheitern vermag. Er übersah den schönsten Teil des Parks, an dessen Ende auf einem Hügel die malerischen Ruinen eines alten Schlosses lagen. Hinter diesen stiegen die blauen Spitzen des fernen Gebirges empor. –
    Deodatus nutzte sogleich die Zeit, als er ruhiger geworden und als ihm der Wundarzt dergleichen Beschäftigung erlaubte, um seinem alten Vater ausführlich zu schreiben, was sich alles mit ihm begeben bis zum letzten Augenblick. Er beschwor ihn, nicht länger zu schweigen über das, was ihm in Hohenflüh bevorgestanden, und ihn so in den Stand zu setzen, seine eigne Lage ganz zu übersehen und sich gegen die Arglist unbekannter Feinde zu rüsten. –
    Von dem alten verfallenen Schloß, dessen Ruinen Deodatus aus seinen Fenstern erblickte, stand noch ein kleiner Teil des Hauptgebäudes ziemlich unversehrt da. Dieser Teil schloß sich mit einem herausgebauten Erker, der, da an der andern Seite die Hauptmauer eingestürzt, frei und luftig heraushing wie ein Schwalbennest. Ebendieser Erker war, wie sich Deodatus durch ein Fernrohr überzeugte, mit Gesträuch, das sich aus den Mauerritzen hervorgedrängt, bewachsen, und ebendieses Gesträuch bildete ein

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