Werke
Schlag geschehen, herbeiführen mußte, gewesen sein, hätte er nicht dadurch Gelegenheit erhalten, die Verzierungen seines Prunkzimmers, welche sehr sauber in Himmelblau und Silber glänzten, in Hochrot umzulackieren, mit gehöriger Vergoldung, da er seinem Rettelchen abgemerkt, daß ein roter Tisch, rote Stühle u.s.w. ihrem Geschmack besser zusagen würden.
Meister Wacht widerstand nicht einen Augenblick dem Andringen des glücklichen Lackierers, den jungen Advokaten auf seiner Hochzeit zu sehen, und der junge Advokat – ließ es sich auch gefallen.
Man kann denken, in welcher Stimmung sich die beiden jungen Leute, die seit jenem entsetzlichen Augenblick sich wirklich nicht gesehen hatten, wiedererblickten. Die Versammlung war groß, aber kein einziges ihnen befreundetes Gemüt ermaß ihren Schmerz.
Schon stand man im Begriff, sich nach dem Gotteshause zu begeben, als Meister Wacht einen starken Brief erhielt und dann, kaum hatte er einige Zeilen gelesen, heftig erschüttert zur Tür hinausstürzte, zu nicht geringem Schreck der andern, die neues Böses ahnen wollten.
Nicht lange dauerte es, so rief Meister Wacht den jungen Advokaten heraus, und als sie nun beide allein in dem Arbeitszimmer des Meisters sich befanden, so begann dieser, indem er vergeblich die tiefste Erschütterung zu verbergen sich mühte: »Es sind die außerordentlichsten Nachrichten von deinem Bruder eingegangen: hier ist ein Brief von dem Direktor der Gefangenanstalt, der umständlich schreibt, wie sich alles begeben. Du kannst das nicht alles wissen, ich müßte dir daher, um das Unglaubliche dir glaublich zu machen, haarklein alles sagen; aber die Zeit drängt.« – Bei diesen Worten sah Meister Wacht dem Advokaten scharf ins Gesicht, der beschämt errötend die Augen niederschlug.
»Ja, ja,« fuhr der Meister mit erhöhter Stimme fort, »du weißt nichts davon, daß dein Bruder kaum wenige Stunden auf dem Bau von einer Reue ergriffen worden ist, wie sie wohl kaum jemals eines Menschen Brust zerrissen hat. Du weißt nichts davon, daß der Versuch des Raubmordes ihn zermalmt hat. Du weißt nicht, daß er in wahnsinniger Verzweiflung Tag und Nacht geheult und gefleht hat, daß der Himmel ihn vernichten oder retten möge, damit er fortan durch die strengste Tugend sich rein wasche von der Blutschuld.
Du weißt nicht, daß bei Gelegenheit eines wichtigen Anbaues des Gefangenhauses, bei dem Züchtlinge als Handlanger gebraucht wurden, sich dein Bruder so sehr als ein geschickter kenntnisreicher Zimmermann auszeichnete, daß er bald, ohne daß jemand daran dachte, wie sich das begebe, die Stelle des Poliers vertrat. Du weißt nicht, daß ihm dabei sein stilles frommes Wesen, seine Bescheidenheit, mit der Bestimmtheit des geläuterten Verstandes gepaart, alle zu Freunden machte.
Das weißt du alles nicht, darum mußte ich’s dir sagen. Was weiter! Der Fürstbischof hat deinen Bruder begnadigt, er ist Meister worden; aber wie war das alles möglich ohne Geldzuschüsse?« »Ich weiß,« sprach der junge Advokat sehr leise, »ich weiß, daß Ihr, mein guter Vater, monatlich Geld der Direktion zugesendet habt, um meinen Bruder von den übrigen Gefangenen absondern und besser verpflegen zu können. Ihr habt ihm später Handwerkszeug geschickt.« –
Da trat Meister Wacht auf den jungen Advokaten zu, faßte ihn bei beiden Armen und sprach mit einer Stimme, die in Entzücken, Wehmut, Schmerz auf unbeschreibliche Weise schwankte: »Hätte das dem Sebastian, sproßte auch seine ursprüngliche Tugend mächtig hervor, wieder zur Ehre, Freiheit, Bürgerrecht, Besitztum verhelfen können? Ein unbekannter Menschenfreund, dem Sebastians Schicksal besonders am Herzen liegen muß, hat zehntausend große Taler beim Gericht niedergelegt, um –« Weiter konnte Meister Wacht vor gewaltsamer Bewegung nicht sprechen, er riß den jungen Advokaten an seine Brust und rief, indem er mit Mühe die Worte herauspreßte: »Advokat, mache, daß ich eindringe in die Tiefe des Rechts, wie es in deiner Brust lebendig geworden, und daß ich bestehe vor dem ewigen Weltgericht, wie du dereinst bestehen wirst. – Doch,« fuhr Meister Wacht nach einigen Sekunden fort, indem er den jungen Advokaten von seiner Brust ließ, »doch, mein geliebter Jonathan, wenn nun Sebastian als ein frommer tätiger Bürger wiederkehrt und mich an mein gegebenes Wort mahnt, wenn Nanni« – »So trag’ ich«, sprach der junge Advokat, »meinen Schmerz, bis er mich tötet. – Ich fliehe nach
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