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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Amerika.«
    »Bleibe hier,« rief Meister Wacht, ganz begeistert von Wonne und Lust, »bleibe hier, mein Herzensjunge! Sebastian heiratet ein Mädchen, die er früher verführt und verlassen hatte; Nanni ist dein!« Noch einmal umhalste der Meister den jungen Advokaten und rief:
    »Junge, wie ein Schulknabe stehe ich vor dir und möchte dir alle Schuld, alles Unrecht abbitten, das ich dir angetan! – Doch kein Wort weiter; andere Leute warten auf uns.«
    Damit faßte Meister Wacht den jungen Advokaten, riß ihn fort in das Hochzeitszimmer hinein und sprach, indem er sich mit Jonathan mitten in den Kreis stellte, mit erhöhter feierlicher Stimme:
    »Ehe wir zur heiligen Handlung schreiten, lade ich euch alle, ihr ehrsamen Männer und Frauen, ihr tugendbelobten Jungfrauen und Jünglinge, über sechs Wochen zu einer gleichen Feier in meiner Behausung ein; denn hier stelle ich euch den Herrn Advokaten Jonathan Engelbrecht vor, dem ich in diesem Augenblick meine jüngste Tochter Nanni feierlich verlobe!«
    Die Liebenden sanken sich selig in die Arme.
    Nur ein Hauch der tiefsten Verwunderung durchlief die ganze Versammlung, doch der alte fromme Andres sprach leise, indem er das kleine dreieckige Zimmermannshütlein vor die Brust hielt:
    »Des Menschen Herz ist ein wunderliches Ding, aber der wahre fromme Glaube überwindet wohl die schnöde, ja sündliche Tapferkeit eines verhärteten Gemüts, und alles wendet sich, wie der liebe Gott es will, zum guten.«
    [ Δ ]
Der Feind
Erstes Kapitel
    »Noch einen tüchtigen vollgefüllten Römer, Herr Wirt; zwar schlug es schon neun, aber der Regen stürmt an die Fenster; wir sitzen hier traulich und warm beisammen, und ich merke schon, wir werden heute ein wenig aus dem Schick kommen und Mühe haben, die Bürgerglocke einzuhalten. Kommt Ihr Eurerseits aber auch aus dem Schick, Herr Wirt, und geht ein Fäßlein weiter, wenn Ihr einschenkt, und irrt Euch in der Sorte!«
    So rief der ehrsame Bürger und Drechslermeister Franz Weppering, der an dem breiten Tische in der Gaststube des Wirtshauses zum »Weißen Lamm« den besten Platz einnahm.
    »Oho!« erwiderte der kleine freundliche Herr Thomas, indem er sich das kleine schwarzsamtene Käppchen in die Stirne schob und zugleich mit dem schweren Kellerschlüsselbunde harmonisch klapperte, »oho! was den Schick betrifft, das heißt, die schönen Ordnungen, Privilegien, Satzungen, Gesetzlichkeiten, Edikte und Verordnungen, wie sie von Kaiser und Rat ergangen, so sucht darin der ehrsame Thomas, weltberühmter Gastwirt in der weltberühmten Reichsstadt Nürnberg, dessen Tugenden der Himmel gehörig zu wägen und zu lohnen wissen wird, in deren Kenntnis seinesgleichen. Aber anlangend den Wein, so wäre es ja außerm Schick, wenn ich Eurenthalber, Meister Franz, das rechte Fäßchen vorübergehn und Euch bessern Wein geben sollte, als Euch dienlich und Ihr mir bezahlt.«
    »Ihr haltet den Wein«, nahm Meister Wepperings Nachbar das Wort, »aber auch wirklich ein wenig zu teuer und könntet alten Stammgästen, so wie wir, wohl immer einige Kreuzer weniger für das Maß anrechnen.«
    »Ich weiß nicht,« rief Herr Thomas lachend, »ich weiß nicht, was ihr wollt, ihr Herren, ihr trinkt bei mir den schönsten, edelsten, wohlschmeckendsten, feurigsten Wein in dem ganzen lieben Nürnberg, und den gebe ich euch aus purer Amicitia. Denn die paar Kreuzer, die ihr mir dafür bezahlt, sind ja bloß ein anmutiges Douceur für die Mühe des Einschenkens. Aber ohne Scherz, ihr Herren denkt immer, uns Wirten kostet der Wein gar nichts, und wir leben noch immer in dem verfluchten Jahr 1484, wo ein ganzer Eimer Wein für ein recht schönes Hühnerei hingegeben wurde, und doch hat es damit eine ganz besondere Bewandtnis. Ich weiß nicht, ihr Herren, ob ihr die Geschichte von den zerbrochenen Hühnereiern wißt; soll ich sie euch erzählen?«
    »Und,« rief Weppering, »und uns während der Zeit dursten lassen; nein, nein, behaltet euren Schnack für Euch und holt so guten Wein, als Ihr’s verantworten könnet.«
    »Ich wollte,« sprach ein sehr alter Mann, der entfernt an der Ecke des Tisches saß und still für sich eine kleine Schüssel Eingemachtes verzehrte, wozu er einen sehr edlen Wein, doch nur tropfenweise, trank, »ich wollte, ihr lieben Gäste, ihr ließet unsern Herrn Wirt die Geschichte von den zerbrochenen Eiern erzählen, denn sie ist gar hübsch und anmutig.«
    »Wenn,« rief Weppering, »wenn Ihr es wollt, mein ehrwürdiger Herr Doktor, so

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