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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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wünsche. Ich verneinte das und blieb endlich allein. Die lange nachhallenden Tritte und das Auf- und Zuschließen vieler Türen ließen mich wahrnehmen, daß ich mich in einem der innersten Gefängnisse auf der Burg befand. Auf mir selbst unerklärliche Weise war ich während der ziemlich langen Fahrt ruhig geworden, ja in einer Art Sinnesbetäubung erblickte ich alle Bilder, die mir vorübergingen, nur in blassen, halberloschenen Farben. Ich erlag nicht dem Schlaf, sondern einer Gedanken und Phantasie lähmenden Ohnmacht. Als ich am hellen Morgen erwachte, kam mir nur nach und nach die Erinnerung dessen, was geschehen und wo ich hingebracht worden. Die gewölbte, ganz zellenartige Kammer, wo ich lag, hätte mir kaum ein Gefängnis geschienen, wenn nicht das kleine Fenster stark mit Eisenstäben vergittert und so hoch angebracht gewesen wäre, daß ich es nicht einmal mit ausgestreckter Hand erreichen, viel weniger hinausschauen konnte. Nur wenige Sonnenstrahlen fielen sparsam hinein; mich wandelte die Lust an, die Umgebungen meines Aufenthaltes zu erforschen, ich rückte daher mein Bette heran und stellte den Tisch darauf. Eben wollte ich hinaufklettern, als der Gefangenwärter hereintrat und über mein Beginnen sehr verwundert schien. Er frug mich, was ich da mache, ich erwiderte, daß ich nur hinausschauen wollen; schweigend trug er Tisch, Bette und den Stuhl fort und schloß mich sogleich wieder ein. Nicht eine Stunde hatte es gedauert, als er, von zwei anderen Männern begleitet, wieder erschien und mich durch lange Gänge treppauf, treppab führte, bis ich endlich in einen kleinen Saal eintrat, wo mich der Kriminalrichter erwartete. Ihm zur Seite saß ein junger Mann, dem er in der Folge alles, was ich auf die an mich gerichtete Fragen erwidert hatte, laut in die Feder diktierte. Meinen ehemaligen Verhältnissen bei Hofe und der allgemeinen Achtung, die ich in der Tat so lange genossen hatte, mochte ich die höfliche Art danken, mit der man mich behandelte, wiewohl ich auch die Überzeugung darauf baute, daß nur Vermutungen, die hauptsächlich auf Aureliens ahnendes Gefühl beruhen konnten, meine Verhaftung veranlaßt hatten. Der Richter forderte mich auf, meine bisherigen Lebensverhältnisse genau anzugeben; ich bat ihn, mir erst die Ursache meiner plötzlichen Verhaftung zu sagen, er erwiderte, daß ich über das mir schuld gegebene Verbrechen zu seiner Zeit genau genug vernommen werden solle. Jetzt komme es nur darauf an, meinen ganzen Lebenslauf bis zur Ankunft in der Residenz auf das genaueste zu wissen, und er müsse mich daran erinnern, daß es dem Kriminalgericht nicht an Mitteln fehlen würde, auch dem kleinsten von mir angegebenen Umstande nachzuspüren, weshalb ich denn ja der strengsten Wahrheit treu bleiben möge. Diese Ermahnung, die der Richter, ein kleiner dürrer Mann mit fuchsroten Haaren, mit heiserer, lächerlich quäkender Stimme mir hielt, indem er die grauen Augen weit aufriß, fiel auf einen fruchtbaren Boden; denn ich erinnerte mich nun, daß ich in meiner Erzählung den Faden genau so aufgreifen und fortspinnen müsse, wie ich ihn angelegt, als ich bei Hofe meinen Namen und Geburtsort angab. Auch war es wohl nötig, alles Auffallende vermeidend, meinen Lebenslauf ins Alltägliche, aber weit Entfernte, Ungewisse zu spielen, so daß die weitern Nachforschungen dadurch auf jeden Fall weit aussehend und schwierig werden mußten. In dem Augenblick kam mir auch ein junger Pole ins Gedächtnis, mit dem ich auf dem Seminar in B. studierte; ich beschloß, seine einfachen Lebensumstände mir anzueignen. So gerüstet, begann ich in folgender Art: »Es mag wohl sein, daß man mich eines schweren Verbrechens beschuldigt, ich habe indessen hier unter den Augen des Fürsten und der ganzen Stadt gelebt, und es ist während der Zeit meines Aufenthaltes kein Verbrechen verübt worden, für dessen Urheber ich gehalten werden oder dessen Teilnehmer ich sein könnte. Es muß also ein Fremder sein, der mich eines in früherer Zeit begangenen Verbrechens anklagt, und da ich mich von aller Schuld völlig rein fühle, so hat vielleicht nur eine unglückliche Ähnlichkeit die Vermutung meiner Schuld erregt; um so härter finde ich es aber, daß man mich leerer Vermutungen und vorgefaßter Meinungen wegen, dem überführten Verbrecher gleich, in ein strenges Kriminalgefängnis sperrt. Warum stellt man mich nicht meinem leichtsinnigen, vielleicht boshaften Ankläger unter die Augen? ... Gewiß ist es am Ende

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