Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Mensch, indem er einem der Diener den Mantel aus den Händen riß und ihn mit diesen gemeinen, unanständigen Spottworten Herrn Goljadkin geradezu auf den Kopf warf. Während Herr Goljadkin der ältere sich aus seinem Mantel herauswickelte, hörte er deutlich das Gelächter der beiden Diener. Aber ohne auf etwas hinzuhören und Nebendinge zu beachten, verließ er das Vorzimmer und befand sich nun auf der erleuchteten Treppe. Herr Goljadkin der jüngere war ihm nachgekommen.
»Leben Sie wohl, Exzellenz!« rief er Herrn Goljadkin dem älteren nach.
»Schurke!« antwortete unser Held ganz außer sich.
»Na, ich lasse mir diese Bezeichnung gefallen ...«
»Verworfener Mensch! ...«
»Na, meinetwegen auch das ...« erwiderte dem würdigen Herrn Goljadkin sein unwürdiger Feind spöttisch und blickte mit der ihm eigenen Niederträchtigkeit von der Höhe der Treppe gerade und ohne mit den Augen zu zwinkern Herrn Goljadkin in die Augen, wie wenn er ihn bäte fortzufahren. Unser Held spie vor Empörung aus und lief vor die Haustür; er war so zerschmettert, daß ihm gar nicht zum Bewußtsein kam, wer ihm beim Einsteigen in den Wagen half, und wie es dabei zuging. Als er seine Gedanken wieder gesammelt hatte, sah er, daß er an der Fontanka entlangfuhr. »Also wohl nach der Ismailowski-Brücke?« dachte er. Er hätte jetzt gern über noch etwas nachgedacht; aber das war ihm nicht möglich; es war etwas so Schreckliches, daß es sich gar nicht sagen läßt ... »Nun, es macht nichts!« sagte sich unser Held schließlich und fuhr nach der Ismailowski-Brücke.
13. Kapitel
... Das Wetter schien sich bessern zu wollen. In der Tat begann der nasse Schnee, der bisher in dichten Massen gefallen war, allmählich spärlicher zu werden und hörte zuletzt fast ganz auf. Der Himmel wurde sichtbar, und hier und da glänzten an ihm die Sterne auf. Aber es war immer noch naß, schmutzig, feucht und drückend, namentlich für Herrn Goljadkin, der ohnehin schon nur mit Mühe Atem holen konnte. Sein durchnäßter, schwer gewordener Mantel teilte allen seinen Gliedern eine unangenehm-warme Feuchtigkeit mit und lähmte durch sein Gewicht seine sowieso schon recht schwach gewordenen Beine. Ein fieberhaftes Zittern lief ihm wie ein Gekribbel bissiger Ameisen über den ganzen Körper; die Ermattung ließ einen kalten, krankhaften Schweiß aus allen Poren heraustreten, so daß Herr Goljadkin sogar vergaß, bei dieser passenden Gelegenheit mit der ihm eigenen Festigkeit und Entschlossenheit seine Lieblingsredensart zu wiederholen, daß er dennoch vielleicht, möglicherweise, irgendwie, wahrscheinlich, unbedingt obsiegen und alles sich gut gestalten werde. »Übrigens macht das alles vorläufig noch nichts,« fügte unser starker, noch ungebeugter Held hinzu und wischte sich die kalten Wassertropfen vom Gesichte, die nach allen Seiten von der Krämpe seines runden Hutes herabflossen, der dermaßen durchnäßt war, daß er das Wasser nicht mehr festhalten konnte. Nachdem unser Held noch hinzugefügt hatte, daß das alles noch nichts zu bedeuten habe, versuchte er, sich auf einen ziemlich dicken Holzklotz zu setzen, der auf Olsufi Iwanowitschs Hofe neben einem Haufen Holz lag. Von spanischen Serenaden und seidenen Strickleitern konnte jetzt allerdings nicht die Rede sein; aber er konnte nicht umhin, an jenes bescheidene Winkelchen zurückzudenken, das zwar nicht sehr warm, aber dafür bequem und verborgen gewesen war. Denn jenes Winkelchen hatte, beiläufig bemerkt, jetzt viel Verlockendes für ihn, jenes Winkelchen auf dem Flur von Olsufi Iwanowitschs Wohnung, wo unser Held früher, beinah am Anfang dieser wahrhaften Geschichte, volle zwei Stunden lang zwischen einem Schranke und einem alten Wandschirm, zwischen allerlei unbrauchbarem Hausrat, Trödelkram und Gerümpel gestanden hatte. Die Sache war die, daß auch jetzt Herr Goljadkin bereits ganze zwei Stunden auf Olsufi Iwanowitschs Hofe stand und wartete. Aber was eine nochmalige Benutzung jenes früheren bescheidenen, bequemen Winkelchens anlangte, so gab es da jetzt mehrere Hindernisse, die es früher nicht gegeben hatte. Das erste Hindernis bestand darin, daß man dieses Plätzchen wahrscheinlich seinerzeit bemerkt und seit der Affäre auf dem letzten Balle bei Olsufi Iwanowitsch einige vorbeugende Maßregeln getroffen hatte; und zweitens mußte er doch auf das verabredete Zeichen von Klara Olsufjewna warten; denn irgendein solches verabredetes Zeichen mußte doch unbedingt dabei
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