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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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und Schluchzen sagte Jefimow, er sei ein verlorener, unglücklicher Mensch; das wisse er schon lange, aber erst jetzt sehe er sein Verderben in voller Klarheit voraus.
    „Ich habe kein Talent!“ schloß er. Er war totenblaß geworden.
    B... war heftig ergriffen.
    „Höre, Jegor Petrowitsch“, sagte er zu ihm, „was redest du da zusammen? Du gehst nur durch deine Verzweiflung zugrunde; du hast keine Ausdauer, keine Mannhaftigkeit. Jetzt sagst du in einem Anfall von Mutlosigkeit, du habest kein Talent. Das ist nicht wahr! Du hast Talent; das versichere ich dir. Du hast welches. Ich sehe das schon allein an dem feinen Gefühl und Verständnis, das du für die Kunst besitzt. Ich will dir das auch aus deinem ganzen Leben beweisen. Du selbst hast mir von deinem früheren Leben erzählt. Auch damals hat dich unbewußt dieselbe Verzweiflung umgarnt. Damals hat dein erster Lehrer, dieser seltsame Mensch, von dem du mir so viel erzählt hast, zuerst die Liebe zur Kunst in dir erweckt und dein Talent erkannt. Du hast das damals ebenso stark und tief empfunden, wie du es jetzt empfindest. Aber du wußtest selbst nicht, was in dir vorging. Das Leben in dem Hause des Gutsbesitzers war dir zuwider; aber du wußtest selbst nicht, was du eigentlich wolltest. Dein Lehrer starb für dich zu früh. Er ließ dich nur mit einem unklaren Streben zurück, und, was die Hauptsache ist, er hatte dir nicht zur Selbsterkenntnis verholfen. Du fühltest, daß du einen anderen, breiteren Weg einschlagen mußtest, daß dir andere Ziele vom Schicksal gesteckt waren; aber du wußtest nicht, wie man das angreifen muß, und in deiner Mißstimmung warfst du einen Haß auf alles, was dich damals umgab. Deine sechs Jahre der Dürftigkeit und Armut sind nicht ohne gute Frucht geblieben: du hast zugelernt, du hast nachgedacht, du hast dich selbst und deine Kraft erkannt, du verstehst jetzt die Kunst und deine eigene Bestimmung. Lieber Freund, Ausdauer und Mannhaftigkeit sind einem jeden vonnöten. Dich erwartet ein beneidenswerteres Los als mich: du bist hundertmal mehr ein Künstler als ich; aber möge dir Gott auch nur den zehnten Teil meiner Ausdauer verleihen! Bilde dich weiter und trinke nicht, wie dir das dein braver Gutsbesitzer gesagt hat, und, was die Hauptsache ist, fange noch einmal ganz von vorn an, vom Abc der Kunst! Was quält dich denn? Dürftigkeit und Armut? Aber Dürftigkeit und Armut bilden den Künstler. Sie sind vom Anfang der Laufbahn unzertrennlich. Bis jetzt sucht dich noch niemand auf; niemand will von dir auch nur etwas wissen; so geht es eben in der Welt zu. Aber warte nur; es wird noch ganz anders kommen, wenn man erkennen wird, was in dir für eine Begabung steckt. Der Neid und die kleinliche Gemeinheit der Rivalen und ganz, besonders die Dummheit der großen Menge werden mit schwererem Drucke auf dir lasten als die Armut. Ein Talent bedarf freundlicher Teilnahme; es möchte Verständnis finden; aber du wirst sehen, wes Geistes Kinder die Leute um dich herum sind, wenn du deinem Ziele auch nur ein wenig näher kommst. Was du dir an künstlerischen Leistungen mit schwerer Arbeit, unter Entbehrungen und Hunger, in schlaflosen Nächten erarbeitet hast, das werden sie für nichts ansehen und geringschätzig behandeln. Sie werden dich nicht ermutigen und trösten, deine künftigen Kameraden; sie werden dich nicht auf das hinweisen, was an dir Gutes und Echtes ist, sondern schadenfroh jeden Fehler, den du an dir hast, hervorheben und dich besonders auf das hinweisen, was an dir schlecht ist, auf das, worin du irrst, und werden unter der Maske der Gleichgültigkeit und Geringschätzung über jeden deiner Fehler (und wer ist frei von Fehlern?) frohlocken. Du aber bist hochmütig; du bist oft zur Unzeit stolz; und da kann es leicht kommen, daß du so einen eingebildeten, wertlosen Patron beleidigst, und dann ist das Unglück da. Denn du wirst allein dastehen, während ihrer viele sind; sie werden dich mit ihren Nadelstichen martern. Selbst ich fange schon an, das an mir zu erfahren. Aber fasse jetzt Mut! Du bist noch durchaus nicht arm; du kannst dir deinen Lebensunterhalt erwerben; verachte nur nicht die unfeine Arbeit; hacke Holz, wie ich es in den Abendgesellschaften bei armen Handwerksleuten getan habe! Aber du bist ungeduldig, in geradezu krankhafter Weise; du magst nicht einfach und natürlich verfahren; du klügelst zu viel, überlegst zu viel, gibst deinem Kopfe zu viel Arbeit; du bist dreist mit Worten; aber wenn du den

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