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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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gegenüber nur ein Sklave. Mein Herz erbebte nicht neben Dir, es fühlte keinen bangen Schmerz, es redete nicht von Dir; es war ruhig. Meine Seele vermochte die Deinige nicht zu erkennen, obgleich sie sich wohl fühlte neben ihrer schönen Schwester. Ich weiß, daß ich das undeutlich fühlte. Und ich konnte das fühlen, weil auch auf den geringsten Halm sich das Licht der göttlichen Morgensonne ergießt und ihn wärmt und liebkost, ebenso wie die prächtige Blume, neben der er demütig aufsprießt. Als ich aber alles erfahren hatte (erinnerst Du Dich?) nach jenem Abend, nach jenen Worten, die meine Seele im Tiefsten erschüttert hatten, da war ich wie geblendet, ich war völlig überrascht, mein ganzes Inneres war in Verwirrung, und (weißt Du wohl?) ich war so betroffen, daß ich meinen Sinnen nicht traute und Dich gar nicht verstand! Davon habe ich noch nie zu Dir gesprochen. Du hast davon nichts gewußt; ich war früher nicht der, als den Du mich dann kennengelernt hast. Wenn ich imstande gewesen wäre davon zu reden, wenn ich davon zu reden gewagt hätte, so hätte ich Dir schon längst alles bekannt. Aber ich habe geschwiegen; jetzt jedoch will ich alles sagen, damit Du wissen mögest, wen Du jetzt verläßt, und von was für einem Menschen du Dich trennst! Weißt Du auch, wie ich Dich zuerst verstand? Die Leidenschaft ergriff mich wie eine Feuersbrunst und ergoß sich wie Gift durch mein Blut; sie trübte alle meine Gedanken und Gefühle; ich war wie berauscht, wie betäubt und erwiderte Deine reine, mitleidige Liebe nicht wie ein Dir Ebenbürtiger, nicht wie einer, der Deiner reinen Liebe wert war; sondern ich benahm mich wie ein Mensch ohne Verstand und ohne Herz. Ich hatte Dich noch nicht erkannt. Ich meinte (das ging aus meiner Antwort hervor), Du vergäßest Dich so weit, daß Du zu mir hinabstiegst, und konnte nicht glauben, daß Du mich zu Dir emporheben wolltest. Weißt Du, in welchem Verdacht ich Dich hatte, und was das bedeutet: sich so weit vergessen, daß man hinabsteigt? Aber nein, ich will Dich nicht durch mein Geständnis kränken; nur das eine will ich Dir sagen: Du hast Dich bitter in mir getäuscht! Niemals, niemals konnte ich mich zu Dir erheben. Ich konnte Dich in meiner grenzenlosen Liebe nur wie ein unerreichbares Ideal anschauen. Die Leidenschaft, die Du in mir hervorgerufen hattest, war nicht Liebe; vor der Liebe fürchtete ich mich; ich wagte nicht, Dich zu lieben; in der Liebe herrscht Gegenseitigkeit und Gleichstellung, und deren war ich nicht wert ... Ich weiß auch nicht, wie mir geschah! Oh, wie soll ich Dir das erzählen, wie soll ich mich verständlich machen ... Ich konnte es anfangs gar nicht glauben ... Oh, erinnerst Du Dich wohl, als meine erste Aufregung sich gelegt hatte, als mein Blick klar geworden war, als nur das reinste, fleckenloseste Gefühl übriggeblieben war, da war meine erste Regung Erstaunen, Verwirrung, Furcht, und erinnerst Du Dich wohl noch, wie ich mich auf einmal schluchzend Dir zu Füßen warf? Erinnerst Du Dich, wie Du, verwirrt und erschrocken, mit Tränen in den Augen mich fragtest, was mir sei? Ich schwieg; ich konnte Dir nicht antworten; aber meine Seele war in Stücke zerrissen; mein Glück erdrückte mich wie eine unerträgliche Last, und mein Schluchzen sprach in meinem Innern: ,Wofür wird mir das zuteil? Womit habe ich das verdient? Womit habe ich diese Seligkeit verdient? Meine Schwester, meine Schwester!’ Oh, wie oft (Du hast das nicht gewußt), wie oft habe ich heimlich Dein Kleid geküßt, heimlich, weil ich wußte, daß ich Deiner unwert war, und ich konnte kaum atmen, und mein Herz schlug langsam und stark, als wolle es stehenbleiben und erstarren für immer. Wenn ich Deine Hand anfaßte, wurde ich ganz blaß und fing an zu zittern; Du setztest mich in Verwirrung durch die Reinheit Deiner Seele. Oh, ich verstehe es nicht, Dir all das auszusprechen, wovon meine Seele übervoll ist, und was so gern zum Ausdruck kommen möchte! Weißt Du wohl, daß mir Deine stete mitleidige Zärtlichkeit gegen mich drückend und peinlich war? Als Du mich küßtest (es ist nur einmal geschehen, und ich werde es nie vergessen), da überzog ein Nebel meine Augen, und mein Geist erlosch für einen Augenblick. Warum bin ich nicht in diesem Augenblicke zu Deinen Füßen gestorben? Du siehst, ich schreibe an Dich zum ersten Male mit ,Du’, obgleich Du mir diese Anrede schon lange befohlen hast. Wirst Du auch verstehen, was ich Dir jetzt sagen will? Ich will

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