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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Dir alles sagen und sage Dir dies: ja; Du liebst mich sehr; Du hast mich geliebt, wie eine Schwester ihren Bruder liebt; Du hast mich geliebt als Dein eigenes Geschöpf, weil Du mein Herz vom Tode auferweckt, meinen Geist von seiner Betäubung befreit und mir eine süße Hoffnung in die Brust gesenkt hattest. Ich aber durfte Dich nicht meine Schwester nennen, wagte es nicht und habe es nie bisher getan, weil ich nicht Dein Bruder sein konnte, und weil wir ungleich waren, und weil Du Dich in mir getäuscht hattest!
    Aber Du siehst, ich schreibe nur von mir; selbst jetzt in diesem Augenblicke des schrecklichsten Elends denke ich nur an mich, obgleich ich weiß, daß Du Dich um meinetwillen quälst. Oh, quäle Dich nicht um meinetwillen, meine liebe Freundin! Wenn Du wüßtest, wie niedrig ich mir jetzt selbst vorkomme! Alles ist nun an den Tag gekommen, und wieviel Lärm ist darum entstanden. Um meinetwillen tun Dich die Menschen in den Bann; um meinetwillen verachten und verspotten sie Dich, weil ich in ihren Augen so niedrig stehe! Oh, wie schuldig fühle ich mich, daß ich Deiner nicht wert war! Besäße ich einen hohen Rang, hätte ich in ihren Augen einen persönlichen Wert, flößte ich ihnen mehr Achtung ein, dann würden sie Dir verzeihen! Aber ich bin ein niedriger Mensch, ein Nichts; ich bin lächerlich, und etwas Niedrigeres als das Lächerliche kann es nicht geben. Wer sind denn die Leute, die ein solches Geschrei erheben? Eben deswegen, weil diese Leute schon zu schreien anfingen, habe ich ja den Mut verloren; ich bin immer ein Schwächling gewesen. Weißt Du, in welcher Lage ich mich jetzt befinde? Ich mache mich über mich selbst lustig, und wie mir scheint, haben die Leute recht, da ich tatsächlich mir selbst lächerlich und hassenswert vorkomme. Ich fühle das; ich hasse sogar mein Gesicht, meine Gestalt, alle meine Gewohnheiten, alle meine unvornehmen Manieren; ich habe sie immer gehaßt! Oh, verzeih mir meine plumpe Verzweiflung! Du selbst hast mich gelehrt, Dir alles zu sagen. Ich habe Dich zugrunde gerichtet und Dir das boshafte Gerede und den Spott der Leute zugezogen, weil ich Deiner nicht wert war. – Gerade dieser Gedanke ist es, der mich quält; er pocht unaufhörlich in meinem Kopfe herum und zerreißt und vergiftet mir das Herz. Und immer scheint es mir, daß Du eigentlich nicht mich liebtest, sondern den, welchen Du in mir zu finden glaubtest, und daß Du Dich in mir getäuscht hast. Das ist es, was mich schmerzt; das ist es, was mich jetzt quält und zu Tode quälen wird, wenn ich nicht den Verstand verliere!
    So lebe denn wohl, lebe wohl! Jetzt, wo alles an den Tag gekommen ist, wo die Menschen ein Geschrei erheben und skandalieren (ich habe es selbst gehört!), wo ich mir selbst so klein und niedrig vorkomme und mich über mich schäme, mich auch für Dich schäme, weil Du eine solche Wahl getroffen hast, wo ich mich selbst verflucht habe: jetzt muß ich um Deiner Ruhe willen fliehen und verschwinden. Das verlangt die Welt, und Du wirst mich niemals, niemals wiedersehen! Es ist notwendig, es ist vom Schicksal so bestimmt! Es ist mir zu viel zuteil geworden; das Schicksal hat sich geirrt; nun korrigiert es seinen Irrtum und entzieht mir alles wieder. Wir sind einander begegnet, haben uns kennengelernt, und nun trennen wir uns bis zu einem andern Wiedersehen! Wo wird das stattfinden und wann? Oh, sage mir, meine Teure, wo werden wir wieder zusammentreffen? Wo werde ich Dich wiederfinden? Wie soll ich Dich wiedererkennen? Wirst Du mich dann erkennen? Meine ganze Seele ist voll von dem Gedanken an Dich! Oh, wofür widerfahrt uns das, wofür? Warum müssen wir uns trennen? Lehre es mich; denn ich verstehe es nicht, verstehe es schlechterdings nicht; lehre mich, wie man sein Leben in zwei Teile zerreißen, sich das Herz aus der Brust reißen und ohne dasselbe weiterleben kann! Oh, wie soll ich es fassen, daß ich Dich nie mehr sehen werde, niemals, niemals! ... Oh Gott, was haben die Leute für ein Geschrei erhoben! Wie bange ist mir jetzt um Dich! Ich bin soeben Deinem Manne begegnet: wir sind beide seiner nicht würdig, obgleich wir beide schuldlos vor ihm dastehen. Er ist von allem unterrichtet; er kennt uns genau; er hat Verständnis für alles, und alles ist ihm schon früher sonnenklar gewesen. Er ist heldenmütig für Dich eingetreten; er sucht Dich zu retten; er verteidigt Dich gegen dieses Geschrei und diese Verdammungsurteile; er liebt und schätzt Dich grenzenlos; er wird Dein

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