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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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dieser Frage zu ihm gekommen sind! Beachten Sie diese vorauseilenden Worte: ›Wer anders als ich?‹ Diese tierische Schlauheit, diese Naivität und Karamasowsche Ungeduld! ›Nicht ich habe den Mord begangen! Untersteht euch nicht zu denken, daß ich es war!‹ sagt er gewissermaßen. ›Ich wollte ihn töten, meine Herren, ich wollte ihn töten‹, bekennt er schleunigst. ›Trotzdem bin ich unschuldig, ich habe ihn nicht getötet!‹ Er gibt zu, daß er ihn hatte töten wollen – das soll heißen: ›Seht, wie aufrichtig ich bin! Da müßt ihr doch um so eher glauben, daß ich ihn nicht getötet habe?‹ Oh, in solchen Fällen wird ein Verbrecher manchmal unglaublich leichtsinnig. Und da stellte ihm einer der verhörenden Beamten, wohl ganz zufällig, auf einmal die höchst harmlose Frage: ›Hat vielleicht Smerdjakow den Mord begangen?‹ Und es geschah, was wir erwartet hatten: Er wurde furchtbar wütend, daß wir ihm zuvorgekommen waren und ihn überrascht hatten, bevor er sich hatte vorbereiten und den richtigen Augenblick herausfinden können, wo es am natürlichsten gewirkt hätte, Smerdjakow ins Spiel zu bringen. Seinem Charakter gemäß stürzte er sich sofort ins entgegengesetzte Extrem und suchte uns von sich aus nach Kräften zu überzeugen, daß Smerdjakow den Mord nicht begangen haben konnte und nicht fähig war, einen Mord zu begehen. Doch wir trauten ihm nicht, sondern sagten uns, das ist nur Schlauheit von seiner Seite; er verzichtet durchaus noch nicht darauf, Smerdjakow ins Spiel zu bringen, im Gegenteil, er wird ihn schon noch hervorholen: Wen sollte er sonst als den Schuldigen hinstellen? Er wird es zu einem anderen Zeitpunkt tun, denn jetzt ist diese Sache einstweilen verdorben. Er wird ihn vielleicht erst morgen hervorholen oder gar erst nach einigen Tagen, wenn er einen geeigneten Moment gefunden hat, um uns zuzurufen: ›Sehen Sie, ich selber bestritt Smerdjakows Schuld mehr als Sie, sicher werden Sie sich daran erinnern? Jetzt aber bin ich zu der Überzeugung gelangt: Er hat den Mord begangen – anders ist es nicht möglich!‹ Einstweilen aber verlegte er sich uns gegenüber auf ein finsteres, gereiztes Leugnen; seine Ungeduld und sein Zorn ließen ihn jedoch die ungeschickteste und unwahrscheinlichste Erklärung vorbringen, daß er bei seinem Vater ins Fenster hineingesehen habe und respektvoll vom Fenster weggegangen sei. Die Hauptsache war, er kannte die näheren Umstände noch nicht und wußte nicht, wie belastend für ihn die Aussagen des wieder zur Besinnung gelangten Grigori waren. Wir schritten zur Leibesvisitation. Die Visitation brachte ihn furchtbar auf, ermutigte ihn aber auch wieder: Es wurden nicht die ganzen dreitausend Rubel gefunden, sondern nur die Hälfte. Und nun, erst in diesem Stadium des zornigen Schweigens und Leugnens, schoß ihm zum erstenmal der Gedanke von dem Säckchen durch den Kopf. Ohne Zweifel fühlte er selbst die ganze Unglaubhaftigkeit dieser Erfindung und quälte sich furchtbar in dem Bestreben, sie glaubhafter zu machen, sie so zurechtzubasteln, daß ein wahrscheinlich klingender Roman herauskam. In solchen Fällen ist es die erste Pflicht und die wichtigste Aufgabe des Verhörenden, dem Verbrecher keine Zeit zur Vorbereitung zu lassen, ihn unerwartet zu überfallen, damit er seine geheimen Verteidigungspläne in aller verräterischen Offenherzigkeit mit all ihren Unwahrscheinlichkeiten und Widersprüchen ausspricht. Zum Sprechen kann man einen Verbrecher aber nur dadurch bringen, daß man ihm plötzlich und wie zufällig irgendeine neue Tatsache mitteilt, irgendeinen bedeutsamen Umstand, den er bisher nicht geahnt hat und in keiner Weise hat wissen können. Eine solche Tatsache hatten wir schon lange in Bereitschaft. Es war die Aussage des Dieners Grigori über die offenstehende Tür, aus der der Angeklagte herausgelaufen war. Diese Tür hatte er ganz vergessen, und der Gedanke, daß Grigori sie gesehen haben könnte, war ihm überhaupt nicht gekommen. Die Wirkung war kolossal. Er sprang auf und schrie: ›Dann hat Smerdjakow den Mord begangen! Smerdjakow ist es gewesen!‹ Und so verriet er seinen wichtigsten geheimen Verteidigungsplan in der unglaubhaftesten Form: Smerdjakow konnte den Mord nämlich erst begangen haben, nachdem der Angeklagte den Diener Grigori niedergeschlagen hatte und davongelaufen war. Als wir ihm nun mitteilten, daß Grigori die Tür schon vor dem Schlag offen gesehen und beim Verlassen seines Schlafzimmers gehört hatte,

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