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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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wohl sicher auf das Säckchen gedeutet, als er sich an die Brust schlug, und das noch dazu in der Dunkelheit! Wir werden uns über eine neue Tatsache freuen, wir werden als erste auf unsere Beschuldigung verzichten, wir werden uns beeilen, sie fallenzulassen. Jetzt aber schreit die Gerechtigkeit, und wir bestehen auf unserer Anklage – es ist uns nicht möglich, etwas zurückzunehmen!« Ippolit Kirillowitsch kam nun zum Schluß seiner Rede. Er war wie im Fieber; er schrie nach Sühne des Vaterblutes, das der Sohn »mit der niedrigen Absicht zu rauben« vergossen habe. Er wies mit allem Nachdruck auf das tragische, zum Himmel schreiende Zusammentreffen der Tatsache hin. »Und was Sie auch von dem durch sein Talent berühmten Verteidiger des Angeklagten hören mögen«, konnte sich Ippolit Kirillowitsch nicht enthalten zu bemerken, »was auch für beredte, rührende, an Ihr empfindsames Gemüt appellierende Worte ertönen mögen – denken Sie immer daran, daß Sie sich in diesem Augenblick im Heiligtum unserer Rechtsprechung befinden! Denken Sie daran, daß Sie die Verteidiger unserer Gerechtigkeit sind, die Verteidiger unseres heiligen Rußlands, seiner Grundlagen, seiner Familie und alles Heiligen in ihm! Ja, Sie sind jetzt die Repräsentanten Rußlands, und Ihr Urteilsspruch wird nicht nur in diesem Saal erschallen, sondern in ganz Rußland! Und ganz Rußland wird auf Sie als auf seine Verteidiger und Richter hören und wird durch Ihren Spruch ermutigt oder niedergedrückt werden. Bereiten Sie dem erwartungsvoll gespannten Rußland keine schmerzliche Enttäuschung. Unsere verhängnisvolle Troika jagt Hals über Kopf dahin, vielleicht ins Verderben. Und schon lange strecken die Einsichtigen in ganz Rußland die Arme aus und rufen, man möge mit diesem rasenden, unerbittlichen Dahinjagen aufhören. Und wenn die anderen Völker vor der wild dahinstürmenden Troika bis jetzt noch zur Seite treten, so vielleicht gar nicht aus Achtung vor ihr, wie der Dichter meinte, sondern einfach aus Entsetzen, möglicherweise auch aus Abscheu. Aber es ist ja noch gut, daß sie überhaupt zur Seite treten; vielleicht werden sie sich einmal wie eine feste Wand dem einherstürmenden Gespenst entgegenstellen und selbst unserem unsinnigen, zügellosen Dahinjagen Halt gebieten, um sich und ihre Bildung und ihre Zivilisation zu retten! Solche Alarmrufe aus Westeuropa haben wir bereits gehört. Sie ertönen schon. Reizen Sie die anderen Völker nicht! Steigern Sie nicht ihren wachsenden Haß durch einen Urteilsspruch, der die Ermordung eines Vaters durch den eigenen Sohn rechtfertigt!«
    Kurz, wenn sich Ippolit Kirillowitsch auch hatte hinreißen lassen, so schloß er doch pathetisch, und der Eindruck, den er
    hervorbrachte, war tatsächlich außerordentlich groß. Er selbst ging nach seiner Rede eilig hinaus und fiel in einem anderen Zimmer beinahe in Ohnmacht. Der Saal applaudierte nicht, doch die Ernsteren unter den Zuhörern waren zufrieden. Nicht so zufrieden waren die Damen, allerdings hatte auch ihnen seine schöne Beredsamkeit gefallen, zumal sie sich um die Folgen keinerlei Sorgen machten und alles von Fetjukowitsch erwarteten: »Nun wird der endlich das Wort ergreifen und natürlich über alle den Sieg davontragen!« Alle blickten Mitja an; während der ganzen Rede des Staatsanwaltes hatte er schweigend dagesessen, mit zusammengedrückten Händen, aufeinandergepreßten Zähnen und gesenktem Kopf. Nur manchmal hatte er den Kopf gehoben und zugehört, besonders als der Redner auf Gruschenka zu sprechen kam. Als Rakitins Ansicht über Gruschenka vorgetragen wurde, zeigte sich auf Mitjas Gesicht ein verächtliches, wütendes Lächeln, und er sagte ziemlich laut: »Diese Bernards!« Als dann Ippolit Kirillowitsch erzählte, wie er ihn in Mokroje verhört und gepeinigt hatte; hob Mitja den Kopf und hörte mit großem Interesse zu. An einer Stelle der Rede schien es, als wollte er sogar aufspringen und etwas rufen, doch er beherrschte sich und zuckte nur geringschätzig die Achseln. Über den letzten Teil der Rede, nämlich über das angeblich so kluge Verfahren des Staatsanwalts bei dem Verhör in Mokroje, wurde später bei uns viel geredet, und man machte sich über Ippolit Kirillowitsch lustig. »Dieser Mensch konnte es doch nicht unterlassen«, sagte man, »seine Fähigkeiten zu rühmen.« Die Sitzung wurde unterbrochen, aber nur für kurze Zeit, für eine Viertelstunde oder höchstens zwanzig Minuten. Im Publikum wurden Gespräche

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