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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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und Ausrufe laut. Einiges davon habe ich im Gedächtnis behalten.
    »Eine bedeutende Rede!« bemerkte in einer Gruppe ein Herr mit gerunzelter Stirn.
    »Ein bißchen viel Psychologie hat er verzapft«, sagte eine andere Stimme.
    »Aber es war doch alles richtig, unwiderleglich wahr!«
    »Ja, darin ist er Meister.«
    »Er hat die Bilanz gezogen.«
    »Auch über uns, auch über uns hat er Bilanz gezogen«, mischte sich ein dritter ein. »Erinnern Sie sich, wie er am Anfang seiner Rede sagte, wir seien alle solche Menschen wie Fjodor Pawlowitsch?«
    »Und am Schluß ebenfalls. Aber da sagt er die Unwahrheit.«
    »Es gab auch einige Unklarheiten.«
    »Er ließ sich ein bißchen hinreißen.«
    »Das war ungerecht, das war ungerecht.«
    »Na, nein, geschickt war es doch. Der Mann hat lange warten müssen. Nun hat er sich endlich einmal ausreden können, hehe!«
    »Was wird der Verteidiger sagen?«
    In einer anderen Gruppe:
    »Seine Stichelei gegen den Petersburger zum Schluß hätte er unterlassen können. ›An Ihr empfindsames Gemüt appellierende Worte‹, Sie erinnern sich?«
    »Ja, das war ungeschickt.«
    »Er hatte es ein bißchen zu eilig.«
    »Ein nervöser Mensch.«
    »Wir lachen hier, aber wie mag dem Angeklagten zumute sein?«
    »Ja. Wie mag diesem Mitenka wohl zumute sein?«
    »Was wird der Verteidiger sagen?«
    In einer dritten Gruppe:
    »Was ist das da für eine Dame, die mit der Lorgnette, die dicke ganz am Rande?«
    »Das ist die Frau von einem General. Geschieden. Ich kenne sie.«
    »So so, darum diese Lorgnette.«
    »Ein abgetakeltes Frauenzimmer.«
    »Aber doch ganz pikant.«
    »Nicht weit von ihr, zwei Plätze weiter sitzt eine kleine Blondine, die macht einen besseren Eindruck.«
    »Auf geschickte Weise haben sie ihn damals in Mokroje überrumpelt, was?«
    »Ja, das muß man sagen. Darum hat es der Staatsanwalt ja auch noch mal erzählt. Er hat darüber schon in jedem Haus wer weiß wieviel Gerede gemacht.«
    »Auch jetzt hat er es sich nicht verkneifen können. Die liebe Eitelkeit!«
    »Er ist ein zurückgesetzter Beamter, hehe!«
    »Und empfindlich! Viel Rhetorik hat er aufgewandt, lange Phrasen gedrechselt.«
    »Und er möchte einem Angst machen, merken Sie? Immer möchte er einem Angst machen. Erinnern Sie sich, was er von der Troika gesagt hat? Und dann: ›Woanders gibt es Hamlets, doch bei uns vorläufig nur Karamasows.‹ Das war geschickt gesagt.«
    »Das war eine Verbeugung vor dem Liberalismus. Er fürchtet sich.«
    »Auch vor dem Rechtsanwalt hat er Angst.«
    »Ja, was wird nun wohl Herr Fetjukowitsch sagen?«
    »Na, mag er sagen, was er will – unsere Bauern wird er nicht herumkriegen.«
    »Meinen Sie?«
    In einer vierten Gruppe:
    »Aber was er da von der Troika sagte, war doch schön, ich meine, wo er von den anderen Völkern sprach.«
    »Und das war die Wahrheit! Du entsinnst dich gewiß, wie er sagte, daß die anderen Völker nicht warten würden?«
    »Wieso?«
    »Im englischen Parlament hat sich erst vorige Woche wegen unserer Nihilisten ein Mitglied erhoben und gefragt, ob es nicht an der Zeit sei, bei so einer barbarischen Nation wie uns einzugreifen und uns Bildung beizubringen. Den hat Ippolit mit seinen Worten gemeint! Ich weiß, daß er den gemeint hat. Er hat in der vorigen Woche davon gesprochen.«
    »Du machst umsonst die Pferde scheu!«
    »Wieso umsonst? Warum?«
    »Wir sperren ihnen den Hafen von Kronstadt und geben ihnen kein Getreide mehr. Wo sollen sie es dann hernehmen?«
    »Nun, aus Amerika. Heutzutage kommt alles aus Amerika.«
    »Unsinn!«
    Doch da läutete die Glocke, und alle stürzten zu ihren Plätzen. Fetjukowitsch trat ans Rednerpult.
    10. Die Rede des Verteidigers. Der Stab mit zwei Enden
     
    Alles wurde still, als die ersten Worte des berühmten Redners ertönten. Die Blicke aller Anwesenden hingen seitdem unverwandt an ihm. Er begann ohne weitere Vorrede, außerordentlich schlicht und in sehr überzeugtem Ton, doch ohne eine Spur von Anmaßung. Er machte nicht den geringsten Versuch, formvollendet zu sprechen, pathetische Töne anzuschlagen, durch gefühlvoll klingende Wendungen zu wirken. Er war einfach ein Mensch, der in einem intimen Kreis von Gesinnungsgenossen sprach. Er hatte eine schöne, laute, sympathische Stimme, und schon aus dieser Stimme glaubte man seine Aufrichtigkeit und Treuherzigkeit herauszuhören. Aber allen wurde sofort klar, daß der Redner imstande war, sich plötzlich zu wahrhaft pathetischer Diktion zu erheben und »mit unerhörter

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