Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
hervor, daß Fjodor Michailowitsch damals bereits in einer eigenen Wohnung lebte und von dort aus die Vorlesungen der Offiziersklassen besuchte, mit denen das erwähnte Lernenmüssen in Zusammenhang steht. Seine wirtschaftliche Lage hätte gut sein können, denn sein Vormund schickte ihm, in auffallendem Gegensatz zu seinem Verhalten dem älteren Bruder gegenüber, seit seiner Beförderung zum Offizier stets pünktlich die ihm zukommende Summe.
Nach den Aussagen Dr. Riesenkampfs erhielt Dostojewski damals, sein Gehalt mitgerechnet, gegen 5000 Rubel im Jahre. Doch da er fürs Praktische äußerst wenig Sinn hatte, war er meist ohne Geld. Er begann seine eigene Wirtschaft damit, daß er sich in der Wladimirstraße im Hause des Postdirektors Prjänischnikoff eine große Wohnung für 1200 Rubel mietete, bloß weil der Besitzer ihm gefiel. In dieser großen Wohnung aber gab es dafür an Möbeln nur einen alten Diwan, einen Schreibtisch und ein Paar Stühle. Übrigens gefiel ihm auch der gutmütige Gesichtsausdruck seines Burschen Ssemjon so sehr, daß er trotz aller Warnungen vor dessen langen Fingern seelenruhig immer nur antwortete: »Mag er doch stehlen; davon werde ich schon nicht bankrott werden.« Aber schließlich war dies doch der Fall und Dostojewski geriet buchstäblich in Schulden. Infolgedessen sah er sich gezwungen, seine Neigung zur Literatur zu verwerten, und das tat er denn auch, mit prosaischer Berechnung des Verdienstes, zum Teil in gemeinsamer Arbeit mit seinem Bruder.
Nachdem Dostojewski am 11. August 1842 nach bestandener Prüfung zum Unterleutnant befördert worden war, wurde er im folgenden Jahre, am 12. August 1843, nach Beendung des ganzen wissenschaftlichen Lehrplanes in der oberen Offiziersklasse, zum aktiven Dienst im Ingenieurkorps des Petersburger Ingenieurkommandos abkommandiert und der Abteilung für Zeichner im Ingenieur-Departement zugeteilt.
Aber der Widerspruch zwischen der Pflicht, zeichnen zu müssen, und dem Drang, schriftstellerisch tätig zu sein, begann sich alsbald geltend zu machen.
Der Anfang seiner literarischen Tätigkeit
Von dem Briefwechsel zwischen Fjodor Michailowitsch und seinem älteren Bruder sind leider gerade die Briefe aus den ersten Jahren seines freien Lebens außerhalb der Anstalt verloren gegangen. Noch diese Lücke wird zum Teil durch die um so wertvolleren Aufzeichnungen des Arztes Dr. A. E. Riesenkampf ausgefüllt.
Nachdem Dr. Riesenkampf im Juli 1842 mit dem älteren Dostojewski in Reval wieder zusammengewesen war, begann er im Herbst, nach seiner Rückkehr nach Petersburg, den jüngeren Bruder, über dessen wenig günstige wirtschaftliche Lage er von Michail Michailowitsch schon zur Genüge gehört hatte, häufiger zu besuchen. Er stellte fest, daß von der ganzen großen Wohnung, die F. M. Dostojewski gemietet hatte, tatsächlich nur das Arbeitszimmer geheizt wurde. Auf Vergnügungen hatte Fjodor Michailowitsch bereits vollkommen verzichtet, nachdem er 1841 und zu Anfang des Jahres 1842 nicht wenig für das zu der Zeit glänzende Alexandertheater ausgegeben hatte, zum Teil auch für das Ballett, das er damals aus irgend einem Grunde liebte, und für teure Konzerte solcher Berühmtheiten, wie Ole Bull und Franz Liszt u. a. Jetzt jedoch (im Herbst 1842) saß er tagaus tagein, nach dem Besuch der Offiziersklassen am Vormittage, eingeschlossen in seinem Arbeitszimmer und beschäftigte sich nur mit Literatur. Seine Gesichtsfarbe war fahl; ein trockener Husten quälte ihn beständig, besonders am Morgen; an seiner Stimme fiel die ständige starke Heiserkeit auf; zu diesen Krankheitszeichen gesellten sich dann noch geschwollene Halsdrüsen. Doch all dies wurde von Dostojewski hartnäckig verheimlicht oder abgeleugnet, und selbst dem Arzt und Freunde Riesenkampf gelang es nur mit Mühe, ihm wenigstens einige Mittel gegen den Husten aufzudrängen und ihn dazu zu bewegen, doch ein wenig mäßiger zu rauchen. Von seinen Freunden besuchte ihn damals des öfteren nur D. W. Grigorowitsch, der in vieler Beziehung sein größter Gegensatz war.
»Jung, gewandt, eine schöne Erscheinung,« so schildert ihn Dr. Riesenkampf, »elegant, hübsch und geistreich, der Sohn eines reichen Husarenobersten, dessen Frau eine französische Aristokratin war, Freund des Leutnants Todleben, der schon damals die Anlagen zu seinen späteren Leistungen verriet, Freund berühmter Künstler, Liebling und Verehrer des schönen Geschlechts, der sich nur in den besten Kreisen der
Weitere Kostenlose Bücher