Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
sollte.
Bei seiner »Zweifelsucht« quält es ihn sehr, daß der Bruder ihm auch jetzt noch oft monatelang nicht schreibt, und wenn auch die anderen Geschwister lange schweigen oder »gänzlich aufhören zu schreiben«, argwöhnt er alles mögliche, wie er dem Bruder im Mai 1855 gesteht.
Im Laufe dieses Jahres hat Dostojewski in Semipalatinsk noch anderen Verkehr gefunden und Personen kennen gelernt, von denen eine in seinem späteren Leben eine wesentliche Rolle spielen sollte. Es war das Frau Marja Dmitrijewna Issajewa. Als Wrangel sich im August 1855 vorübergehend in Barnaul aufhalten mußte, schreibt Dostojewski an ihn voll großer Sorge um ihre gemeinsame Bekannte: er teilt ihm den Tod ihres Mannes mit und bittet ihn, der mittellos in Kusnezk zurückgebliebenen Witwe die verabredete Summe zu schicken, die er ihm unbedingt, wenn auch nicht sofort, zurückerstatten werde.
Am 18. Januar 1856 schreibt er an Maikoff über seinen Gemütszustand in diesem Jahr: »... Ein Umstand, ein Ereignis, das in meinem Leben lange auf sich hatte warten lassen und mich nun endlich erfaßte, riß mich hin und verschlang mich ganz. Ich war glücklich. Ich konnte nicht arbeiten. Später kamen Trauer und Leid über mich. Ich verlor das, was mein alles war. Mehrere hundert Werst trennten uns ... Die Ausführung meines Hauptwerkes habe ich aufgeschoben ...« – gemeint sind die angefangenen »Aufzeichnungen aus einem Totenhause,« – »... ich begann im Scherz eine Komödie zu schreiben...« (»Onkelchens Traum«). Doch neben diesen Arbeiten hat ihn noch eine »größere Novelle« beschäftigt (»Das Gut Stepantschikowo«), u. a. Mit Interesse spricht er von der neuesten Literatur und geht er auf Maikoffs Mitteilungen ein. »Ja, ich teile mit Ihnen die Idee, daß Europa und Europas Bestimmung von Rußland beendet werden wird. Das war mir schon lange klar.« Eine Bestätigung dieser Äußerung finden wir in Miljukoffs »Erinnerungen«.
Von großer Bedeutung für sein weiteres Geschick ist ein Brief vom 23. März 1856 an den inzwischen nach Petersburg zurückgekehrten Wrangel, mit der Bitte, das beigefügte Schreiben persönlich dem General Eduard I. Todleben zu übergeben. Die Fragen, ob Dostojewski aus Gesundheitsgründen recht bald um seinen Abschied vom Militär bitten könne und ob seine Werke gedruckt werden dürfen, haben für ihn mittlerweile eine ganz besondere Bedeutung erhalten: er hat sich bereits endgültig entschlossen, Marja Dmitrijewna Issajewa zu heiraten, weshalb ihm an einer Veränderung seiner sozialen Stellung und finanziellen Lage sehr viel liegt. Nun folgen – in diesem, wie im nächsten Brief vom 13. April – Pläne und Besprechungen, wie er den Onkel (Kumanin) um 1000 Rubel bitten werde, ohne seine Heiratsabsichten zu verraten. Er erwähnt ein Gedicht, das er auf die Thronbesteigung Alexanders II. verfaßt hat, – es ist verloren gegangen, doch dürfte es, ebenso wie ein erhaltenes Gedicht auf den Orientkrieg, mit Kunst wenig zu tun gehabt haben, um so mehr aber, da er in diesem Gedicht den zukünftigen Befreier des Bauernstandes mit aufrichtiger Vaterlandsliebe begrüßt. Er erwähnt ferner einen Artikel über Rußland, aber der sei ein rein politisches Pamphlet geworden; da man ihm aber wohl kaum erlauben werde, seine neue literarische Tätigkeit mit einem Pamphlet zu beginnen, »wie patriotisch sein Inhalt auch sein mag,« so habe er schon in seine »Briefe über Kunst« ganze Seiten aus diesem Pamphlet übernommen. Seine Liebe zu Marja Dmitrijewna, die, nach den Briefen an Wrangel zu urteilen, mehr und mehr zur Leidenschaft wurde, war für ihn eine Quelle neuen Glücks, aber auch großer Pein. Sie scheinen sich gegenseitig mit Eifersucht gequält zu haben. Wenigstens bemerkt Doktor Janowski in einem Brief an Maikoff, in dem er darauf zu sprechen kommt, daß »unter dem Einfluß gegenseitiger Eifersucht Fjodor Michailowitschs Krankheit sich weiter entwickelt« habe. Dazu wird vermutlich noch der Umstand beigetragen haben, daß er hochherzig gegen dieses Gefühl ankämpfte und es soweit besiegte, daß er selbstlos für den anderen, einen gewissen W., auf den er eifersüchtig war, sorgte und ihm zu einer Existenzmöglichkeit zu verhelfen suchte. Seine Briefe an Wrangel werfen aber auch ein neues Licht auf den ersten Roman, den er nach seiner Rückkehr aus Sibirien 1860-61 schrieb: Die »Erniedrigten und Beleidigten« enthalten demnach nicht nur eine Schilderung seines eigenen jungen Schriftstellerdaseins
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