Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
angeführt aus seinen »St. Petersburger Beiträgen zur neuesten russischen Geschichte«, die er 1881 anonym und nicht in Rußland erscheinen ließ (im Verlage von Duncker & Humblot, Leipzig).
Nach Eckardt ist »der für die gesamte spätere Entwicklung so außerordentlich verhängnisvoll gewordene Petersburger Studentenkrawall vom Herbst 1861 ... lediglich dadurch veranlaßt worden, daß der (neue) Universitätskurator Philipson zu den Freiheiten scheel sah, die der Kaiser persönlich und der frühere Unterrichtsminister Kowalewski der akademischen Jugend erteilt hatten, und daß der damalige Generalgouverneur von Petersburg Ignatjeff Studenten und Professoren grundsätzlich verabscheute und von Zugeständnissen an ›Zivilisten‹ überhaupt nichts wissen wollte«. 1861 war u. a. auch die der militärischen sehr ähnliche Studentenuniform abgeschafft worden, um – alsbald wieder eingeführt zu werden.
N. N. Strachoff, der Mitherausgeber der »Materialien zur Lebensbeschreibung Dostojewskis«, der als Anhänger der Hegelschen Rechten dieselben Vorgänge von einem konservativeren Standpunkt aus sieht als es O. Miller tut, gibt in seinen »Erinnerungen an Dostojewski« einen weiteren Überblick über die Vorgeschichte der Studentenunruhen, der gleichzeitig einen Einblick in die Petersburger Stimmung jener Zeit gewahrt und auch Dostojewskis politische Stellungnahme beleuchtet, weshalb seine Ausführungen über die »Studentengeschichte« hier in folgendem wiedergegeben sind:
»Ich will nun eines der wichtigen Ereignisse jener Zeit erzählen, die sogenannte Studentengeschichte , die sich zu Ende des Jahres 1861 abspielte und die den damaligen Zustand der Gesellschaft am besten beleuchtet. In dieser Geschichte wirkten wahrscheinlich verschiedene innere Triebfedern mit; doch diese werde ich nicht berühren,« »sondern werde nur ihre äußere, öffentliche Erscheinung schildern, die für die Mehrzahl der handelnden Personen, wie für die Mehrzahl der Zuschauer die größere Bedeutung hatte.
»Die Universität, an der infolge des Zustroms von Liberalismus ein reges Leben herrschte, begann von diesem Leben mehr und mehr überzuschäumen; doch zum Unglück war das ein Leben, das die Beschäftigung mit der Wissenschaft verdrängte. Die Studenten hielten Versammlungen ab, gründeten eine Kasse, gründeten eine Bibliothek, gaben ein Sammelwerk heraus, führten eine Art Gerichtshof ein, in dem sie über ihre Kameraden das Richteramt ausübten, usw.; aber alles dieses zerstreute und beschäftigte sie so sehr, daß die Mehrzahl von ihnen, und sogar viele der Klügsten und Begabtesten, schließlich aufhörte, sich auch noch mit ihrem eigentlichen Studium zu befassen. Hinzu kam, daß es auch noch andere Unzulässigkeiten gab, d. h. Überschreitungen aller möglichen Dispense, und so entschloß sich die Universitätsbehörde zu guter Letzt, Maßregeln zu ergreifen, um diesem Lauf der Dinge ein Ende zu machen. Um sich eine unbestreitbare Autorität zu sichern, erwirkte sie einen allerhöchsten Befehl, durch den Zusammenkünfte, Kassen, Deputationen und Ähnliches den Studenten verboten wurden. Der Befehl wurde während der Sommerferien ausgegeben, und als die Studenten im Herbst sich wieder auf der Universität einfanden, mußte er in Anwendung gebracht werden. Die Studenten beschlossen, sich zu widersetzen, einigten sich aber auf die einzige Art von Widerstand, die mit liberalen Grundsätzen vereinbar ist, d. h. auf den ausschließlich passiven . Sie benutzten nun die verschiedensten Vorwände, um den Behörden möglichst viel Arbeit und der ganzen Sache möglichst viel öffentliches Aufsehen zu verschaffen. Und richtig brachten sie sehr geschickt den größten Skandal zustande, den man auf die Weise überhaupt in Szene setzen konnte. Die Regierung war zwei- oder dreimal gezwungen, sie mitten am Tage von der Straße in großen Scharen fortzuführen. Zur noch größeren Freude der Studenten wurden sie sogar in die Peter-Pauls-Festung gesetzt. Sie unterwarfen sich ohne Widerspruch diesem Arrest, dann der Verurteilung und Verschickung, – die für viele sehr schwer und langwährend ausfiel. Nachdem sie das getan hatten, glaubten sie, alles getan zu haben, was nötig war, d. h. sie hatten laut die Verletzung ihrer Rechte festgestellt, waren selbst nicht über die Grenzen der Gesetzlichkeit geschritten und hatten eine schwere Strafe auf sich genommen, gleichsam nur darum, weil sie für ihre Forderungen einstanden.
»Obwohl nun
Weitere Kostenlose Bücher