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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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ergeht. » Aprés moi le déluge « ist viel gebräuchlicher und danach wird auch viel häufiger gehandelt. Und was ist das doch für eine Gleichgültigkeit gegen alles andere, was sind das für oberflächliche, leere Interessen! Ich hatte in Paris Gelegenheit, die Gesellschaft in einem Haufe kennen zu lernen, wo sehr viele Menschen verkehrten. Es war geradezu, als hätten sie sich alle gefürchtet, einmal von etwas nicht Alltäglichem, von etwas nicht so kleinlich Oberflächlichem zu sprechen, einmal auch von irgendwelchen allgemeinen Interessen, nun, etwa von gleichviel welchen Gesellschaftsproblemen. Angst vor Spionen konnte es, denke ich, nicht sein, was sie davon abhielt; sie hatten nur alle einfach verlernt, an etwas Ernsteres zu denken und von Ernsterem zu sprechen. Übrigens fanden sich unter ihnen überraschend viele, die sich maßlos dafür interessierten, was für einen Eindruck Paris auf mich gemacht hatte, inwieweit ich Ehrfurcht und Erstaunen empfand und von dem Eindruck erschüttert, überwältigt, zerschmettert war. Der Franzose glaubt ja noch heute, daß er moralisch bedrücken und zerschmettern könne. Das ist gleichfalls ein spassiges Merkmal. Besonders gut erinnere ich mich noch eines äußerst netten, liebenswürdigen und gutmütigen alten kleinen Herrn, den ich aufrichtig in mein Herz schloß. Er sah mir so unablässig in die Augen, als er mich nach meiner Meinung über Paris ausforschte, und war so sichtlich betrübt, als ich keine besondere Begeisterung bekundete. Ja, in seinem gutmütigen Gesicht spiegelte sich sogar echter Schmerz, – buchstäblich Schmerz, ich übertreibe wirklich nicht. Oh, mein lieber Monsieur Le M–re ! Aber es ist nun einmal so, daß man einen Franzosen, d. h. einen Pariser (denn im Grunde sind doch alle Franzosen Pariser) niemals davon überzeugen wird, daß er nicht der erste Mensch auf dem ganzen Erdball ist. Übrigens: von dem ganzen Erdball außer Paris weiß er nur äußerst wenig. Und will auch nicht einmal viel davon wissen. Das ist schon eine nationale Eigenschaft und sogar die charakteristischste. Aber die allercharakteristischste Eigenschaft des Franzosen ist doch – seine Liebe zur schönen Redekunst. Diese Liebe zur Redekunst brennt in ihm unerlöschlich und je älter er wird, um so größer wird ihr Brand. Ich möchte doch ungeheuer gern erfahren, wann diese Liebe zur schönen Redekunst in Frankreich eigentlich begonnen hat. Oh, versteht sich: das Wesentliche begann mit Ludwig XIV. Es ist doch merkwürdig, daß in Frankreich alles mit Ludwig XIV. angefangen hat, tatsächlich. Aber noch merkwürdiger ist, daß auch im ganzen übrigen Europa alles mit Ludwig XIV. angefangen hat. Wodurch gerade dieser König das erreicht hat – begreife ich nicht! Er stand doch gar nicht so sehr viel höher als alle die anderen früheren Könige. Es sei denn dadurch, daß er als erster gesagt hat: l'état – c'est moi . Das hat allerdings ungeheuer gefallen, das hat damals ganz Europa durchflogen. Ich glaube, nur durch eben dieses eine Wörtchen wurde er denn auch berühmt. Sogar bei uns in Rußland ist es erstaunlich schnell bekannt geworden. Ja, dieser Ludwig XIV. war wirklich ein überaus nationaler Herrscher, war so ganz im französischen Geiste, daß ich nicht begreife, wie in diesem Frankreich schließlich alle diese kleinen Unarten geschehen konnten ... nun, so, die da zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Man war wohl nur ein Weilchen unartig und kehrte dann zum früheren Geiste zurück; darauf läuft es hinaus; aber die Redekunst, die schöne Redekunst, oh – die ist der Stein des Anstoßes für den Pariser. Er ist bereit, vom Früheren alles zu vergessen, alles, alles, ist bereit, die vernünftigsten Gespräche zu führen und der artigste und fleißigste Knabe zu sein, nur die Redekunst, einzig die schöne Redekunst, die kann er bis heute auf keine Weise vergessen. Er grämt sich und seufzt und sehnt sich nach ihr; denkt an Thiers, Guizot, Odilon Barrot. »Wie blühte doch damals die Redekunst!« sagt er sich mitunter wehmütig und beginnt nachzudenken. Napoleon III. begriff das, entschied sofort, daß Jacques Bonhomme nicht nachdenken dürfe, und führte allmählich die Schönrednerei wieder ein. Zu dem Zweck werden nun in der gesetzgebenden Körperschaft sechs liberale Abgeordnete unterhalten, sechs beständige, unabänderliche, wirklich liberale Abgeordnete, d. h. solche, die vielleicht auch nicht zu bestechen sind, wenn man es mit dem Bestechen bei ihnen

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