Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
selber wie zu allen, die er zu sich einlädt, und so geht das fort bis zu seinem seligen Ende. Ja, auf eigenem Grund und Boden ist se rouler dans l'herbe am süßesten für ihn. Um diese Lebenspflicht erfüllen zu können, legt er sich vor seinem Hause unbedingt einen kleinen Rasenplatz an. Irgend jemand hat einmal von einem Bourgeois erzählt, der das Unglück hatte, daß aus der Stelle seines Gartens, die für den Rasenplatz bestimmt war, das Gras nicht wachsen wollte. Er tat sein möglichstes, begoß regelmäßig, belegte den Platz mit anderswo gewachsenem Rasen, – es half alles nichts. Die Stelle vor dem Hause war nun einmal so sandig, daß nichts darauf wachsen wollte. Da soll er sich denn einen künstlichen Rasen gekauft haben, ist einzig zu diesem Zweck nach Paris gefahren, hat sich dort einen runden Grasteppich von zwei Meter Größe im Durchmesser bestellt und diesen imitierten Gazon dann jeden Nachmittag vor seinem Hause ausgebreitet, um sein recht- und gesetzmäßiges Bedürfnis befriedigen und im Grase liegen zu können. Einem Bourgeois, der sich im Zustande des ersten Entzückens überfeinen wohlerworbenen Besitz befindet, ist das allerdings zuzutrauen, so daß dieser Fall in moralischer Hinsicht nichts Unwahrscheinliches an sich hat.
»Doch nun noch zwei Worte über Gustave. Gustave ist natürlich nichts anderes, als was auch der Bourgeois ist, nämlich Kommis, Kaufmann, Beamter, homme de lettres , Offizier. Gustave ist der bloß noch unverheiratete, sonst aber genau derselbe Bribri. Doch das ist nicht die Hauptsache; die ist vielmehr: als was Gustave sich jetzt verkleidet, womit er sich jetzt drapiert, was er vorstellt, was für Federn ihn schmücken. Das Ideal des Liebhabers verändert sich entsprechend dem Zeitgeist und spiegelt sich auf der Bühne immer in der Gestalt, in der er in der Gesellschaft gerade umgeht. Der Bourgeois liebt nun zwar besonders das Vaudeville, aber noch mehr liebt er das Melodrama. Das anspruchslose, heitere Vaudeville (nebenbei bemerkt: das einzige Kunsterzeugnis, das sich nahezu in überhaupt keinen fremden Boden verpflanzen läßt, sondern nur auf dem Boden gedeiht, auf dem es entstanden ist, nämlich in Paris) – das Vaudeville vermag den Bourgeois zwar zu fesseln, aber es befriedigt ihn doch nicht vollständig. Der nimmt es immerhin nicht ernst. Was er braucht, ist Erhabenes, er braucht unaussprechlichen Edelmut, er braucht Gefühlvolles, und alles das bietet ihm das Melodrama. Ohne Melodrama kann der Pariser einfach nicht leben. Das Melodrama wird deshalb auch nicht aussterben, solange es den Bourgeois gibt. Um so beachtenswerter ist es, daß jetzt selbst das Vaudeville sich zu verändern anfängt. Es ist freilich wie immer heiter und von überwältigender Komik, aber jetzt beginnt sich ihm doch schon stark ein anderes Element beizumischen, und zwar – Moral. Der Bourgeois liebt nämlich außerordentlich, und hält's jetzt für die heiligste und notwendigste Verrichtung, bei jeder passenden Gelegenheit sich selbst und seiner Bisch gute Lehren und Moral zu predigen. Nicht zu vergessen: der Bourgeois herrscht jetzt unumschränkt; er ist eine Macht; jene Leutchen aber, die die Vaudevilles und Melodramen liefern, sind immer Lakaien und schmeicheln immer der Macht. Also aus diesem Grunde geschieht es nun, daß der Bourgeois auf der Bühne jetzt immer als Sieger hervorgeht, selbst dann, wenn er als komische Figur auftritt, und deshalb wird ihm zu guter Letzt auch immer vermeldet, daß alles in Ordnung sei. Es ist anzunehmen, daß solche Berichte den Bourgeois tatsächlich beruhigen. Stellt sich doch bei jedem ängstlichen Menschen, der von dem Erfolge seiner Sache nicht ganz überzeugt ist, das quälende Bedürfnis ein, sich überzeugen, ermutigen, beruhigen zu lassen. Ja, ein solcher Mensch beginnt sogar, abergläubisch an günstige Vorbedeutungen zu glauben. Genau so verhält es sich auch mit dem Bourgeois. Zu einem Melodrama aber gehören erhabene Züge und erhabene Lehren. Da handelt es sich schon nicht mehr um irgendwelchen Humor; da ist es bereits der pathetische Triumph alles dessen, was Bribri so liebt und was ihm so sehr gefällt. Am meisten gefällt ihm politische Zufriedenheit und das Recht, Geld zusammenzuscharren zwecks besserer Ausstattung des eigenen Heims. In diesem Sinne werden also jetzt auch die Melodramen verfaßt. Und dementsprechend wird jetzt auch Gustave gezeichnet. Und je nach dem wie Gustave gezeichnet ist, kann man immer mit Sicherheit
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