Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
ferner, daß im Theater jetzt auch dem Monsieur Beaupré eine schon gar zu auffallende Beachtung, oder mindestens weit mehr Beachtung geschenkt wird als früher. Selbstredend hat Monsieur Beaupré bereits viel Geld in Sicherheit und auch schon sehr viele Sachen und Sächelchen in seinem Besitz. Als Mensch ist er bieder, offenherzig, ein wenig lächerlich mit seinen bourgeoisen Angewohnheiten und infolge des Umstandes, daß er Gatte ist; aber er ist gutmütig, ehrlich, großmütig und von unsagbarem Edelmut in dem Auftritt, in dem er an dem Argwohn, seine Bisch sei ihm untreu, zu leiden hat. Doch ungeachtet dessen entschließt er sich großmütig, ihr alles zu verzeihen. Natürlich stellt es sich dann heraus, daß sie so unschuldig wie eine Taube ist, daß sie mit ihrem Interesse für Gustave nur gescherzt hat und daß Bribri, dessen Großmut sie aufs tiefste erschüttert, ihr teurer als alles andere ist. Cécile ist natürlich ganz wie immer zu Anfang bettelarm, ist es aber jetzt nur noch im ersten Akt; schon im zweiten stellt es sich heraus, daß sie eine Million besitzt. Gustave ist stolz und gleichfalls wie immer von alles verachtendem Edelmut, nur tut er jetzt viel wichtiger, da er ja nun ein Krieger ist. Das teuerste auf der Welt ist für ihn sein Orden, den er mit seinem »Blut erkauft« hat; und » l'épée de mon père «. Von diesem Degen seines Vaters spricht er in jedem Augenblick, immer und überall, bei jeder unpassenden Gelegenheit; man begreift oft gar nicht, um was es sich dabei handelt; er schimpft, entrüstet sich, doch alle machen Bücklinge vor ihm und die Zuschauer weinen und klatschen Beifall (sie weinen buchstäblich). Selbstverständlich hat er keinen Sou, das ist sine qua non . Madame Beaupré ist natürlich in ihn verliebt, Cécile gleichfalls, er aber ahnt nicht einmal, daß Cécile ihn liebt. Fünf Akte hindurch hört man Cécile vor Liebe ächzen. Schließlich schneit es oder es geschieht etwas Ähnliches. Cécile will sich aus dem Fenster stürzen. Da fallen plötzlich draußen unter dem Fenster zwei Schüsse, alles eilt herbei: Gustave tritt bleich, mit verbundenem Arm langsam auf die Bühne. Das Ehrenband, das er mit seinem »Blut erkauft« hat, leuchtet auf seiner Brust, Céciles Verleumder, der sie zu verführen trachtete, ist bestraft. Gustave begreift schließlich, daß Cécile ihn liebt und daß alle diese Widerwärtigkeiten von Madame Beaupré angestiftet worden find. Doch Madame Beaupré steht jetzt bleich und erschrocken da und Gustave errät, daß auch sie ihn liebt. Plötzlich fällt wieder ein Schuß. Das kann nur ein Schuß von Beaupré sein, der sich das Leben nimmt. Madame Beaupré schreit auf, stürzt zur Tür, doch schon erscheint Beaupré in eigener Person, mit einem erlegten Fuchs in der Hand oder mit einem anderen Tier. Die Lehre ist gut: Mabisch wird sie nie vergessen. Sie schmiegt sich an Bribri, der ihr alles verzeiht. Gustave erfährt aber nun, daß Cécile eine Million besitzt, und er rebelliert von neuem. Er will nicht heiraten. Gustave ziert sich gewaltig, Gustave ergeht sich in Schimpfworten und flucht. Das Fluchen und das Spucken auf die Million ist unbedingt erforderlich; der Bourgeois würde es ihm nicht verzeihen, wenn er das unterließe: sein Bedürfnis nach unaussprechlichem Edelmut käme doch sonst zu kurz, – nur bitte deshalb nicht zu glauben, daß der Bourgeois sich selbst untreu werde! Beruhigen Sie sich: die Million geht dem glücklichen Paar nicht verloren, die Million ist unvermeidlich und erscheint zum Schluß immer in Gestalt einer Belohnung der Tugend. Nein, der Bourgeois wird sich selbst nicht untreu. Natürlich nimmt Gustave zu guter Letzt die Million samt Cécile , und dann kommt wieder das Geplätscher der Springbrünnlein, die baumwollene Nachtmütze usw., usw. Auf die Weise gibt es dann sowohl viel Gefühlvolles, wie unaussprechlichen Edelmut, mehr als man fassen kann, und dazu den Bourgeois Beaupré als Sieger, der mit seinen Familientugenden alle bis zur Ergriffenheit rührt, und die Hauptsache, die Hauptsache – die Million, die Million als Fatum, als Naturgesetz, dem alle Ehre, aller Ruhm, alle Anbetung gebührt, usw., usw. Bribri und Mabisch verlassen das Theater vollkommen befriedigt, beruhigt und getröstet. Gustave begleitet sie, und während er Mabisch in den Wagen hebt, küßt er ihr heimlich das Händchen ... Kurz, alles geht, wie es muß.
» Tagebuch eines Schriftstellers.«
Aus der Zeitschrift »Der Bürger« vom
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