Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
lang, schwarz und üppig waren), bis ihn Arago (der Astronom, damals Mitglied der Regierung, jetzt schon lange tot) aus den Fängen der anderen herausriß, – an jenem unseligen Vormittage im Mai 1848, als eine Horde ungeduldiger und hungriger Arbeiter in den Sitzungssaal hereinbrach. Der arme Louis Blanc, der eine zeitlang Mitglied der zeitweiligen Regierung war, hatte diese Horde ja gar nicht dazu aufgehetzt: er hatte doch nur im Luxemburg-Palais diesen bedauernswerten und hungrigen Menschen, die infolge der Revolution und Ausrufung der Republik plötzlich arbeitslos geworden waren, einen Vortrag über ihr »Recht auf Arbeit« gehalten. Freilich, da er immerhin Mitglied der Regierung war, so waren seine Vorträge in gewissem Sinne schrecklich unpolitisch und – versteht sich – auch lächerlich. Die Zeitschrift von Considérant aber, wie die Artikel und Broschüren von Proudhon hatten sich doch zur Aufgabe gemacht, in eben diesen hungrigen und überhaupt nichts besitzenden Arbeitern unter anderem auch einen tiefen Ekel vor dem Erbschaftsrecht zu verbreiten. Zweifellos ist aus alledem (d. h. aus der Ungeduld der hungrigen Menschen, die mit den Theorien einer zukünftigen Seligkeit geschürt und entfacht wurden) in der Folge der politische Sozialismus hervorgegangen, dessen Wesen, trotz aller verkündeten Ziele, vorläufig nur in dem Wunsch der besitzlosen Klassen besteht, die Besitzer allerorts zu plündern, und dann: »mag kommen was kommt«. (Denn in Wirklichkeit ist doch bis heute noch nicht festgestellt, was nun in der zukünftigen Gesellschaft der Ersatz sein wird, sondern beschlossen ist einzig dies: daß das Gegenwärtige einstürzen muß, – und das ist bisher die ganze Formel des politischen Sozialismus).
Doch damals wurde die Sache noch in rosigstem und paradiesisch sittlichem Lichte aufgefaßt. Es ist wirklich wahr, daß der keimende Sozialismus damals sogar von manchen seiner Führer mit dem Christentum verglichen und nur für eine der Zeit und Zivilisation entsprechende Verbesserung und Vervollkommnung desselben gehalten wurde. Alle diese damaligen neuen Ideen gefielen uns in Petersburg ungeheuer, erschienen uns als im höchsten Grade heilig und sittlich und vor allem allgemeinmenschlich, erschienen uns als das zukünftige Gesetz der ganzen Menschheit ohne eine Ausnahme. Wir waren schon lange vor der Pariser Revolution im Jahre 48 dem berauschenden Einfluß dieser Ideen verfallen. Schon im Jahre 1846 war ich in die ganze Wahrheit dieser kommenden »Welterneuerung« und in die ganze Heiligkeit der zukünftigen kommunistischen Gesellschaft noch von Bjelinski eingeweiht worden. Alle diese Überzeugungen von der Unsittlichkeit schon der Grundlagen (der christlichen Grundlagen) der gegenwärtigen Gesellschaft, von der Unsittlichkeit der Religion, der Familie; von der Unsittlichkeit des Besitzrechts; alle diese Ideen von einer Aufhebung der Nationalitäten im Namen einer allgemeinen Brüderlichkeit der Menschen, von der Verachtung für das Vaterland als den Hemmschuh in der allgemeinen Entwicklung, usw. usw., alles das waren, wie gesagt, solche Einflüsse, die wir nicht bewältigen konnten, ja die, im Gegenteil, unsere Herzen und Gehirne im Namen einer gewissen Großmut erfaßten. Jedenfalls: der Grundgedanke nahm sich erhaben aus und stand, wie es schien, hoch über dem Niveau der damals herrschenden Begriffe. Und gerade das war es, was verführte. Diejenigen von uns, d. h. nicht nur von uns Petraschewzen, sondern von allen damals Angesteckten , die jedoch in der Folge diese ganze verschwärmte Schädlichkeit radikal ablehnten, diese ganze Finsternis und dies Entsetzen, das da für die Menschheit als ihre Erneuerung und Auferstehung vorbereitet wurde, – die von uns kannten damals noch nicht die Ursachen ihrer Krankheit, und deshalb konnten sie auch noch nicht mit ihr kämpfen. Also woraufhin glauben Sie denn, daß wir – wenn auch natürlich nicht alle, so doch wenigstens manche von uns – vor einer Tat wie meinetwegen selbst ein Mord à la Netschajeff zurückgeschreckt wären? – in jener glühenden Zeit, inmitten der Lehren, die die Seele ergriffen, und der erschütternden europäischen Ereignisse, die wir, während wir das Vaterland ganz vergaßen, mit fieberhafter Spannung verfolgten?
Die ungeheuerliche und widerliche Ermordung des Studenten Iwanoff ist von dem Mörder Netschajeff seinen Opfern, den »Netschajewzen«, ganz zweifellos als politische und für die zukünftige »allgemeine und
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