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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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schon so endgültig, daß er mit dem Empfang des Diploms zugleich und für immer einen unerschütterlichen Talisman erhält, der ihn die Wahrheit sofort unfehlbar erkennen läßt und vor allen Versuchungen, Leidenschaften und Lastern schützt? Somit würden ja Ihrer Meinung nach alle diese Jünglinge mit dem bestandenen Schlußexamen zu einer Art unzähliger kleiner Päpste werden, die allesamt unfehlbar sind.
    Und warum nehmen Sie an, daß die Netschajeffs unbedingt Fanatiker seien? Sehr oft sind das einfach Spitzbuben. »Ich bin ein Spitzbube, aber kein Sozialist,« sagt ein Netschajeff allerdings nur bei mir, in meinem Roman, aber ich versichere Ihnen, daß er das ebensogut in der Wirklichkeit sagen könnte. Es sind das Spitzbuben von großer Schlauheit, die gerade die großmütige Seite der Menschenseele, am häufigsten der jungen Seele, studiert haben, um dann auf ihr wie auf einem Musikinstrument zu spielen. Ja glauben Sie denn im Ernste, daß die Proselyten, die irgendein Netschajeff bei uns machen könnte, unbedingt ausnahmslos Faulenzer und Nichtstuer sein müssen? Ich glaube das nicht; nicht alle würden das sein; ich bin selbst ein alter »Netschajewze«, ich stand gleichfalls auf dem Schafott, zum Tode verurteilt, und ich versichere Ihnen, daß ich in einem Kreise von gebildeten Menschen dort stand. Die Angehörigen dieses Kreises hatten fast alle die ersten Hochschulen beendet. Einige von ihnen haben sich später, als alles das schon der Vergangenheit angehörte , durch besondere Spezialkenntnisse, durch Werke hervorgetan. Nein, mit Verlaub, die Netschajewzen rekrutieren sich nicht immer nur aus Faulenzern, die überhaupt nichts gelernt haben.
    Ich weiß, Sie werden mir nun zweifellos entgegenhalten, daß ich ja gar nicht ein Netschajewze, sondern bloß ein »Petraschewze« sei. Gut, meinetwegen ein Petraschewze (obschon diese Bezeichnung meiner Ansicht nach unrichtig ist, denn eine unverhältnismäßig größere Anzahl von genau solchen Petraschewzen wie wir blieb vollkommen unbehelligt und unberührt. Es ist wahr, sie haben Petraschewski selbst nie gekannt, aber auf Petraschewski kam es ja in dieser ganzen längstvergangenen Geschichte gar nicht an – nur das wollte ich hiermit bemerkt haben).
    Doch gut, mag ich nur einer von den Petraschewzen gewesen sein. Aber woher wissen Sie denn, ob die Petraschewzen nicht Netschajewzen hätten werden können, d. h. ob sie nicht auch auf den »Netschajewschen« Weg hätten geraten können, im Falle die Sache die Wendung genommen hatte ? Natürlich, damals wäre es ganz unmöglich gewesen, sich auch nur vorzustellen, wie sich die Sache so hätte wenden können ? Es waren ja ganz andere Zeiten. Doch erlauben Sie mir, von mir einzelnem zu sagen: ein Netschajeff hätte ich wahrscheinlich niemals werden können, aber ein Netschajewze – dafür verbürge ich mich nicht, vielleicht hätte ich das auch gekonnt...in den Tagen meiner Jugend.
    Ich habe hier von mir gesprochen, um das Recht zu haben, von anderen zu sprechen. Trotzdem werde ich von mir allein fortfahren, von den anderen dagegen werde ich, wenn ich sie einmal erwähne, nur im allgemeinen sprechen, also ganz unpersönlich und nur im abstrakten Sinne. Der Prozeß aber der Petraschewzen, – das ist doch eine so längstvergangene Sache und gehört einer so uralten Zeit an, daß wohl kein Unglück daraus entstehen kann, wenn ich auf ihn zu sprechen komme, um so weniger, als ich ihn ja nur streife und ganz abstrakt davon rede.
    »Ungeheuer« und »Spitzbuben« gab es unter uns, den »Petraschewzen«, nicht einen weder unter denen, die auf dem Schafott standen, noch unter den anderen, die unbehelligt blieben. Ich glaube nicht, daß sich jemand finden wird, der diese meine Erklärung zu widerlegen versuchen wollte. Daß viele von uns, wie ich schon bemerkte, gebildete Menschen waren, das wird wohl auch niemand bestreiten. Doch mit dem bekannten Zyklus von Ideen und Begriffen, die sich damals in der jungen Gesellschaft stark verwurzelt hatten, den Kampf aufzunehmen, dazu war von uns zweifellos kaum jemand imstande. Wir waren mit den Ideen des damaligen theoretischen Sozialismus infiziert. Den politischen Sozialismus gab es damals noch nicht in Europa und die europäischen Führer der Sozialisten verwarfen ihn sogar.
    Louis Blanc ist von seinen Kollegen in der Nationalversammlung, den Abgeordneten der Rechten, ganz unrechterweise geohrfeigt und an den Haaren gezerrt worden (an Haaren, die, wie dazu vorherbestimmt,

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