Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
Rißkante in Rißkante gefügt. Aber auch hier meldet sich sogleich der differenzierende Zusatz, daß es dabei nicht an einer fast unübersehbaren Fülle von Einzelheiten fehlt. Indessen spricht sich gerade in dem Nichtdeckenden der gewählten Bilder ein weiterer Grund für den bannenden Reiz Dostojewskischer Bücher aus. Ihre hohe und edle künstlerische Einfalt, ihre reine und urtümliche Epik würde moderne Leser vielleicht nur zu kalter Bewunderung zwingen, wenn nicht auch für moderne Nerven- und Gehirn-Wünsche in einzigartigem Maße gesorgt wäre, – eben durch das feine psychologische Detail und durch die Durchäderung mit Problemen, Beobachtungen, Phantasien rein moderner, erst uns zugänglicher, von uns aber eben darum ersehnter Art. Vielleicht darf eine Formel gewagt werden: Einfalt plus Nervosität. Oder, das Lamprechtsche Wort zu verwenden: »Ein Seher im antiken Sinne mit moderner Reizsamkeit.«
    Ferner ist zu sagen, daß die russisch byzantinischen Tendenzen, die sich beim Überblicken des Gesamtwerkes gleichsam als Lokalfarbe seines Schaffens aufdrängen, innerhalb der einzelnen Werke keineswegs in dieser Wucht hervortreten (bei einigen schwingen sie kaum hörbar und als Unterton mit), weil sie, ohne an Bedeutung zu verlieren, künstlerisch durch Kontrastfaktoren ausbalanziert werden. Es ist als ob Dostojewski Nietzsche vorgeahnt hatte. Er taucht als verzerrtes Vorgesicht immer wieder bei seinem großen Widerpart auf. Kein Wunder! Denn wie in Nietzsche der Christ verborgen war, so in Dostojewski der Anti-Christ. Dieser gigantische Prophet des russischen Christus hat auch den russischen Teufel im Leibe gehabt. Und was für einen! In wieviel Gestalten! Eine Legion von Teufeln! Darum ist sein Werk ein wahres Pandämonium. Und dieser Überchrist läßt, darin seinem deutschen Gegenpropheten überlegen, auch den Teufeln ihr Recht. Sie toben sich in einem kolossalen Stile aus.
    Und damit ist auch dies gesagt: Dostojewskis Demut ist nicht Tolstojs Askese. Wie klein nimmt sich neben seiner Erotik, die Blut und Klauen hat, die doktrinäre Erotik der jungen Russen aus! Aber nicht bloß die sinnliche Leidenschaft: jede braust durch die wirbelnde Welt Dostojewskis, die, wie ungeheuer reich an Geist sie auch ist, nicht aus einem blutleeren Gehirne konstruiert, sondern wie im Hirn so auch im Herzen erlebt worden ist. Dieses Herz, dieses Hirn, dieser Mensch war selber ein Pandämonium.
    Stellen wir ihn uns vor, so gelangen wir zu einem Bild von Mathias Grünewaldscher Inbrunst und Furchtbarkeit, zu dem Bilde eines Menschen, der Ungeheueres erlitten und sich selbst zerkämpft hat, bis er jene Demut in sich selber gewann, die er in Bildern von einer ihm ähnlichen Inbrunst und Furchtbarkeit verkündete. Wir gelangen zu dem Bilde eines Heiligen nach Art des Franz von Assisi, der aus ungebärdigem Herzen heilig wurde und der, um heilig zu werden, Teufel aus sich treiben mußte. Ich weiß nicht, ob die russische Kirche einen so ungeheueren Heiligen besitzt, wie diesen Italiener, der erst eigentlich Ernst mit dem Christentum gemacht hat. Dostojewski, fühlt man, hätte dieser Heilige in der Tat werden können, wenn unsere Zeit nicht auch in Rußland unvermögend wäre, einen handelnden Heiligen zu ertragen und wenn ihn sein vielspaltig modernes Wesen nicht gezwungen hatte, zu imaginieren, statt leiblich als Beispiel zu wirken. Vielleicht auch, daß er mit dem Teufelaustreiben doch nicht ganz fertig geworden, daß er eigentlich ein Besessener geblieben ist (in seinem Sinne). Seine Werke sind zum Teil Selbstkreuzigungen; alle Konfessionen der Literatur erblassen vor den Stationen dieser Leidenswege und es gibt kein Wort, das vermögend wäre, die Bewunderung auszudrücken, die ein Fühlender empfinden muß, wenn er sieht, wie dieser Schmerzensmann sich ohne Klage immer wieder zu einem neuen Wege zum Kreuze erhebt, wie er den Schmerz und mit dem Schmerze die Menschheit liebt, und wie er in Augenblicken der Verklärung strahlt wie ein Gral des tiefsten seligsten Begreifens und Spendens von Geheimnissen des Innersten. Doch ohne Pathos, ohne Pose. Man kann an byzantinische Christusbilder denken. Doch nur für Augenblicke. Denn die Macht und Pracht und Schönheit von Byzanz fehlt. Dostojewski ist das Gegenteil einer schönen Seele. Auch dazu ist er zu groß.
    »Alle Kunst ist Trost,« sagt Nietzsche. Es fällt scheinbar schwer, dieses Wort auf die Kunst Dostojewskis anzuwenden, und doch trifft es auch auf sie zu. Nur muß es so

Weitere Kostenlose Bücher