Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Geistes und Herzens mußte fast unausgesetzt als Zwangsarbeiter der Not schaffen. Er, ein geistiger Souverän, mußte das Dasein eines geistigen Proletariers führen. Lest seine Briefe und ihr blickt in eine Hölle. Sie ist vielen bekannt gewesen und noch bekannt, die das Wagnis bestehen wollen, von ihrer Feder zu leben, ohne ihre Feder zu verkaufen, und für den Ausweg, sich nebenbei als Virtuosen des Goldborgens zu bewähren, zu stolz sind, und es ist wahr, daß im Kronschatze des Höchsten, was uns die Dichtkunst gegeben hat, das meiste aus dieser Hölle stammt. Aber die Hölle Dostojewskis war außerdem die eines Landflüchtigen, den die Not aus der Heimat verbannt hatte, eines Heimlosen, der auch noch für arme Verwandte sorgen mußte (aus frei übernommener Pflicht), eines Unzeitgemäßen und dabei Ehrgeizigen, der erst spät zur Anerkennung gelangte, ja eines Verkannten und Verleumdeten. Wahrscheinlich auch die Hölle eines Leidenschaftlichen, der seine Leidenschaften knechten mußte, nicht aus innerem Zwang (der ihn erhoben hätte), sondern aus äußerem (der ihn fesselte). – Was heißt dies? Lest ihn, und das Wunder der Demut Dostojewskis wird euch zu einem Mysterium, das hell und dunkel zugleich ist. Dieser Mensch hat das Kreuz erlebt und er liebte das Kreuz. Ja er hat am Kreuze gedichtet und das Kreuz verherrlicht, durchbohrt von Nägeln der Not und Schmach. Sein Leiden war nicht geringer als das des Nazareners, der auf Golgatha zwischen den Schachern starb, aber er hat sich dennoch nicht für einen Heiland, sondern für einen Schacher gehalten, und es war nicht sein eigenes Kreuz, das er verherrlichte, sondern das auf der Schädelstätte vor Jerusalem. Seine eigene Not und Schmach (unter der er oft zornig aufstöhnte und knirschte, denn seine wunde Seele war oft wohl am Verzweifeln) war gerade, wenn er schrieb, die seines Volkes, ja die aller Elenden und Zertretenen; er war zu groß, um als Dichter sich selbst zu beklagen, ein lautes Wesen von seiner Not zu machen; er hat in der Glühhitze des Schaffens wahrscheinlich wirklich kein eigenes Leiden mehr empfunden, sondern das der anderen; aber die selbstgefühlte Not ist es dennoch gewesen, die ihn fähig gemacht, ja dazu begeistert hat, jene Seelengemälde zu schaffen, in denen auf dem Untergrund des Elends, eine: seine Welt sich ausbreitet voller Höhen und Tiefen, Engen und Weiten, Abgründen und Ausblicken, Hoffnungen und Verzweiflungen, – voller Teufel und voll Gott. Gewiß ist auch er oft genug kleinmütig gewesen im Leben; in seiner Dichtung aber fühlt man nichts davon, obwohl er die Tiefe preist, und nicht die Höhe.
Das Elend hat seine Dichtung erhaben gemacht. Und so kann dieses Leben, betrachtet in diesem Werk, darein es sich zugleich verhohlen und offenbart hat, wohl zu dem Glauben bewegen, daß die niederdrückenden Gewalten des Lebens und die ihnen entgegenkommenden Neigungen demütiger Seelen doch am Ende ebenso mächtig sind, große Menschen zu bilden, wie die gegensätzlichen Werte, die auf den Tafeln Nietzsches leuchten. Dostojewski hat an sich das christliche Nein als positive Kraft bewiesen. Aber wir wollen ja nicht vergessen, daß Heilige, Helden und Genies zwar zielbedeutend für ihr Volk sein können, aber nicht maßgebend für alle Menschen sind. Was Dostojewski so groß gemacht hat, ist vielleicht dasselbe, was das russische Volk daran verhindern wird, uns gegenüber groß zu werden. Aber gesetzt auch, daß dem russischen Herzen dieser Geist völlig gemäß und also heilsam ist: uns kann er kaum fördern. Denn es scheint, daß wir nicht geschaffen find, ihn so zu vertiefen, wie es das, uns im Grunde sehr fremde Phänomen Dostojewski zeigt. Diesem Geiste nachzugehen, hieße Goethe verleugnen und Nietzsche für eine Krankheit halten.
Unserer Art sind andere Wege vorgeschrieben; die Katakombenwanderung haben wir hinter uns. Aber, wir erinnern uns ihrer noch wohl, und wir bewundern den großen Russen, der in den Katakomben eine Welt entdeckt hat, die in dieser ungeheueren Fülle und Lebendigkeit kein westlicher Mensch je sah.
Wenn es wahr ist, daß der Deutsche den Trieb hat, Weltverständnis zu gewinnen, und daß darin seine tiefste Kraft und die Bürgschaft geistiger Weltbeherrschung liegt; eines imperium germanorum ingenii , – dann dürfen wir hoffen, daß die Werke Dostojewskis in Deutschland ein mal heimisch werden, wie die der anderen Großen fremder Zunge.
Es heißt in einem gewissen Sinne zu den mystischen
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