Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
so doch jedenfalls Unfähigkeit, Geld zu verschwenden, Tolstois zu vergleichen. Bei dem einen wie bei dem andern sind diese Eigenschaften außerhalb des Willens und des Bewußtseins begründet. Der eine ist als Ansammler von Gütern und Hauswirt geboren, der andere – als Verschwender und ewig obdachloser Wanderer.
Dostojewski hatte gar nicht nötig, sich immer vorzuhalten, daß Geld etwas Böses sei, und daß man sich von jedem Besitz lossagen müsse: er litt bittere Not und legte dem Geld, wenigstens in seinem Bewußtsein, große Bedeutung bei, so oft er aber welches in Händen hatte, ging er damit so um, als ob es für ihn nicht einmal etwas Böses, sondern purer Unsinn wäre. Er liebte das Geld, oder bildete sich ein, es zu lieben; doch das Geld liebte ihn nicht. Tolstoi haßte das Geld, oder glaubte es zu hassen; doch das Geld liebte ihn und kam von selbst in seine Hände.
Man kann, übrigens nicht nur in bezug auf Geld, sondern auch auf alle andern irdischen Güter im Schicksale Tolstois das Walten einer anziehenden und im Schicksale Dostojewskis einer abstoßenden Kraft erkennen. Dostojewski wußte anscheinend selbst um die Existenz dieser unheilvollen Macht in seinem Leben; er pflegte aber alle seine Leiden den Mängeln seines eigenen Wesens, seiner »Lasterhaftigkeit« zuzuschreiben. »Ich habe ein entsetzliches Laster,« gesteht er seinem Bruder, »ich bin unerlaubt egoistisch und ehrgeizig.« – »Ich bin so ehrgeizig, als ob man mir die Haut vom Leibe gezogen hätte, und jeder Lufthauch tut mir weh,« sagt der Held der Erzählung: »Aus dem dunkelsten Winkel der Großstadt«, der in mancher Beziehung an Dostojewski erinnert. – »Turgenjew und Bjelinski haben mich neulich wegen meines unordentlichen Lebenswandels ausgeschimpft.« – »Ich bin nervenkrank und befürchte ein Nervenfieber. Ich bin so liederlich, daß ich gar nicht mehr ordentlich leben kann.« In ähnlichen Geständnissen steckt aber wohl kaum echte Reue. Es sind eher etwas traurige und erstaunte Selbstbetrachtungen. »Weiß der Teufel,« bemerkt er, »wenn du mir etwas Gutes gibst, mache ich mit meinem Charakter ganz bestimmt das Schlechteste daraus.« Ein anderes Mal, nach vielen Jahren, sagt er anläßlich seiner Verluste im Roulette zu Baden-Baden: » In allen Dingen gehe ich bis an die äußersten Grenzen; mein Leben lang habe ich nie Maß halten können. « Dies ist es vielleicht, was die Weisheit unserer Zeit, die so sehr alle »äußersten Grenzen« fürchtet, Dostojewski nicht verzeihen konnte.
»Wenn du mir etwas Gutes gibst, mache ich mit meinem Charakter ganz bestimmt das Schlechteste daraus« – die Richtigkeit dieser Selbstbetrachtung zeigte sich, wie mir scheint, besonders deutlich in der Petraschewski-Affäre, die Dostojewski so teuer zu stehen kam.
Man kann sich unmöglich vorstellen, was ihn in diese Sache hineingezogen hat. Sozialistische Utopien waren seiner Natur nicht nur fremd, sondern direkt zuwider. Was ihm schon damals den stärksten Widerwillen gegen den Sozialismus einflößte und ihn zugleich veranlaßte, seine Aufmerksamkeit den Versuchen der modernen Menschheit, ein irdisches Leben ohne Gott und ohne Religion aufzubauen, zuzuwenden, – war der moralische Materialismus dieser Lehre. Nach dem Berichte eines Augenzeugen machte Petraschewski auf Fjodor Michailowitsch einen abstoßenden Eindruck, »weil er Atheist war und sich über die Religion lustig machte«. Auch die leichtsinnigen Anschauungen Bjelinskis über die Religion weckten in Dostojewski jenen grenzenlosen, blinden Haß, der in ihm auch nach vielen Jahren mit neuer Kraft aufloderte, so oft er an Bjelinski, diese angeblich »ekelhafteste, stumpfsinnigste und schändlichste Erscheinung des russischen Lebens«, dachte. In seinem »Tagebuch« vom Jahre 1873 gibt er sehr boshaft und geistreich den angeblich spöttischen, in der Tat aber nur, wenn ich nicht ein anderes Wort gebrauchen soll, einfältigen Bericht Bjelinskis über ihre philosophischen Gespräche wieder, in denen der russische Kritiker den späteren Schöpfer des »Idioten« zum Atheismus zu bekehren suchte. »So oft ich Christus erwähne,« erzählt Bjelinski, »verändert sich sein Gesichtsausdruck, als ob er weinen wollte.« – »›Glauben Sie mir. Sie naiver Mensch‹, fiel Bjelinski wieder über mich her,« sagt Dostojewski in seinen Erinnerungen, »›Glauben Sie mir: wäre Ihr Christus in unseren Tagen zur Welt gekommen, so wäre er der unscheinbarste und gewöhnlichste Mensch
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