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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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ein paar Striche noch!« erwiderte er, und sein Atem ging keuchend aus der Brust hervor, wie es in Aufregung oder Anstrengung bei ihm zu geschehen pflegte. Unter dem Malen bog er den Kopf zur Seite und blickte eine Weile gegenüber in den Spiegel und gleich danach auf eine Statuette der Venus von Milo, die seitwärts auf einem Tischchen stand. Dann, mit einem kurzen scharfen Lachen, das wie ein Hohn aus der Tiefe des gebrechlichen Leibes hervorbrach, ließ er wiederum den Pinsel eifrig auf der Leinwand arbeiten. Ich sah eine Weile zu, dann aber fragte ich: »Was zum Henker treibst denn du da?«
    »Ich, Verehrtester? – Ich arbeite in Kontrasten.«
    »Das ist eine schlechte Kunst.«
    »Es ist gar keine Kunst«, erwiderte er, indem er den Malstock auf den Boden stützte und den Körper wie erschlafft in sich zusammensinken ließ. »Keine Spur von Kunst, Arnold, eitel nichtswürdige Abschrift der Natur. Das kleine borstige Ungeheuer dort im Spiegel ist in seiner Art ebenso vollkommen wie die Göttliche ohne Arme neben ihm. Mein Gehirn vermag weder hier noch dort etwas hinzuzutun.«
    Ich war aufgestanden und hinter seinen Stuhl getreten. Ein kleines, aber fast vollendetes Bild in kräftigen Farben stand auf der Staffelei. Es war eine sonnige Parkpartie in altfranzösischem Gartenstil; auf dem freien Platze im Vordergrunde erhob sich aus einem blühenden Rosengebüsch die Statue der Venus; ihr zu Füßen, zu ihr emporschauend, stand in zierlicher Rokokokleidung die Gestalt eines verkrüppelten Mannes, in der ich, unerachtet der struppige Vollbart hier rasiert und das Haar des unbedeckten Hauptes mit Puder bestreut war, sogleich den Maler selbst erkannte. Die langen Finger der beiden Hände, welche aus breiten Spitzenmanschetten hervorsahen, hatten sich um die goldene Krücke eines Bambusrohrs gelegt, auf welche der kleine Mann im veilchenfarbenen Wams sich mühselig zu stützen schien. Er hatte augenscheinlich zuvor auf der Bank geruht, welche im Schatten der hohen Buchenhecke der Statue gegenüberstand, denn das dreieckige Hütchen lag noch dort. Weshalb er aber jetzt in die heiße Sonne hinausgetreten war und so finster zu dem Antlitz der Liebesgöttin emporblickte, wurde erst verständlich, wenn man im Mittelgrunde des Bildes den sonnigen Laubgang hinabsah, durch den sich im traulichsten Behagen ein Liebespaar entfernte. Der Kavalier zeigte nur den Rücken und die eine lebhaft gestikulierende Hand, das zierliche Puderköpfchen des Dämchens aber, das an seinem Arme hing, war zurückgewandt und schaute übermütig lachend nach dem Krüppel, an dem sie soeben vorübergegangen sein mochten. Ich hätte fast den Namen meines Mühmchens ausgerufen, aber die Ähnlichkeit, ob absichtlich oder zufällig, war doch nur eine flüchtige.
    Mein kleiner Freund hatte mich gespannten Blickes angesehen, während ich dies seltsame Bild betrachtete. »Du hast ihr Arme gegeben«, bemerkte ich endlich, um nur etwas zu sagen, indem ich auf die Gestalt der Venus zeigte.
    »Freilich«, versetzte er hastig, »schöne, hülfreiche Arme, und sie hilft auch jedem, nur nicht solchen Kreaturen, deren eine dort zu ihren Füßen kriecht.«
    »Für wen«, unterbrach ich ihn, »hast du denn eigentlich dieses Bild gemalt?«
    »Nur eine Studie zur Selbsterkenntnis, Verehrtester.«
    »Freilich«, sagte ich, »einige Selbstkenntnis ist darin. Du hast sehr wohl gewußt, daß du etwas besitzest, das selbst der Königin der Schönheit fehlt, zu der du dort so mißvergnügt hinaufschaust.«
    Er sah mich fragend an.
    »Du hast in der Tat«, fuhr ich fort, »unerachtet du dir sonst eben nicht geschmeichelt, deine ohnehin nicht übeln Augen in das beste Licht zu setzen gewußt.«
    Mein kleiner Freund lächelte. »Meinst du?« fragte er. »Aber was nützen mir die Augen?«
    »Nun, ich weiß nicht; aber sie haben schon manchem genützt.« – Wir sprachen weiter in dieses Thema hinein, und es gelang mir nach und nach, das Antlitz meines Freundes aufzuhellen. Als ich dann mit meinem Auftrage zum Vorschein kam, war er sogleich bereit, die Partie mitzumachen. Nur wie beiläufig fragte er noch: »Ist auch der Assessor eingeladen?« Und ich antwortete: »Ohne Zweifel; aber Brunken, der hat ja keine Augen, wenigstens nur so etwas wie eine Andeutung davon, und im übrigen, ihr versteht es ja vortrefflich, ohne alle Berührung umeinander herumzugehen.«
    Mein Freund lächelte wieder; ich glaube sogar, er zupfte sich die Krawatte zurecht und warf dabei verstohlen einen

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