Werke
Geld von Euch; um dessen willen bin ich nicht gekommen!‹
›So‹, sagte der Bauer; ›was wollen Sie denn?‹
– ›Ihr hättet’s Euch wohl denken können, Sievers; die Leute reden ja, Ihr hättet was in meinem Bier gefunden, was nicht in der Ordnung ist!‹
Der Bauer lachte. ›Nicht in der Ordnung? Nein, bei dem Teufel! So was ist nicht in der Ordnung!‹
›Es soll der Daumen von dem Hingerichteten gewesen sein‹, fuhr mein Vater fort; ›und ich wollte Euch nur bitten, mich das sehen zu lassen, was Ihr gefunden habt.‹
›Die Leute reden nicht umsonst‹, sagte der Bauer; ›das Ding ist drin im Hahn gesessen; meine Nachbarn haben beide das gesehen.‹
›Nun, so zeigt es jetzt auch mir!‹
›Da hätten Sie früher kommen sollen; ich weiß nicht, wo das Ding geblieben ist!‹
›Sievers!‹ rief mein Vater, ›so sucht oder lasset suchen; das ist Eure Schuldigkeit! Denn dieser Finger steht als ein Kläger wider mich auf und drohet, mich zum armen Mann zu machen; er muß mir Rede stehen, wie er in mein Gebräu gekommen ist!‹
Aber der Bauer sagte: ›Das ist Ihre Sache, Herr Ohrtmann; ich laß mein Bier bei einem anderen holen, und damit hopp und holla!‹
Mein Vater besann sich ein paar Augenblicke, während Marx Sievers seine Pfeife vom Haken nahm und aus dem zinnernen Tabakskasten stopfte. Als er schon angezündet hatte und die Rauchwolken trotzig vor sich hin blies, begann mein Vater wieder: ›Ich hab doch recht vernommen, Sievers? Ihr wollt mir diese letzte Tonne nicht bezahlen?‹
– ›Ganz recht, Herr Ohrtmann; ich denk, ich hab das deutlich genug gesagt!‹
›Nun, ich verlange das auch nicht; aber wenn Ihr mein Bier nicht bezahlt, so gehört mir auch der Finger, der darin gewesen ist!‹
Der Bauer stutzte; aber nicht lange, so zog er seinen vollen Lederbeutel aus der Tasche und zählte das Geld für die Tonne Bier in blanken Banktalern vor meinem Vater auf den Tisch. ›Nun ist der Finger mein‹, sagte er, ›und ich tu damit nach meinem Dünken.‹
Es wäre wohl umsonst gewesen, daß mein Vater das Geld zurückschob, wenn nicht der Sohn sich jetzt hineingemischt hätte. ›Vater‹, sagte er, ›soll ich den Finger holen? Ich mein, er liegt in unserm Nagelkasten.‹
Der Alte brummte etwas in den Bart; aber der Sohn ging hinaus und kam bald darauf mit einem Kasten voll alten Eisenzeuges wieder in die Stube. Als er darin umherkramte, gewahrte mein Vater ein gelblichgraues Ding, das er nicht anders als für den Daumen eines Menschen anerkennen konnte; zwar schien er dick mit Gest oder, wie es auf hochdeutsch heißt, mit Hefe überzogen; aber auch die Form des Nagels war noch deutlich sichtbar.
›Und das hier‹, frug er den Bauern, ›habt Ihr in meinem Bier gefunden?‹
›Ich sagt es schon‹, versetzte dieser; ›als wir das Letzte aus der Tonne zapfen wollten, da hat’s den Hahn verstopft.‹
›Nun, Marx Sievers, Ihr könnt wohl denken, daß ich mir dies Unheil nicht selber angerichtet habe! Ihr seid sonst als ein gerechter Mann bekannt, so bitt ich Euch, fahrt jetzt gleich mit mir zum Bürgermeister und gebt da Zeugnis, wo und wann Ihr dieses Ding gefunden habt; denn jeder neue Tag ist mir zu Spott und Schaden!‹
Der Bauer hatte sich breit in seinen Lehnstuhl niedergelassen. ›Ins Gericht, Herr Ohrtmann? Zum Bürgermeister? – Ja, wenn meine eigene Obrigkeit mir das befiehlt; sonst nicht. Ich habe Spott und Schaden auch in meinem Haus; meine Frau ist heut noch krank vor lauter Abscheu!‹
Mein Vater mußte sich das alles bieten lassen; denn der Finger lag leibhaftig vor ihm, und die Sievers waren als wahrhaftige Leute überall bekannt; er stand, wie er selber sagte, da als ein geschlagener Mann.
Endlich wurde dennoch ein Abkommen getroffen; der Sohn durfte das unheimliche Ding in eine Schachtel packen und damit und mit meinem Vater in die Stadt zum Bürgermeister fahren.
– – Daß dies geschehen war, aber von Weiterem auch nichts, erfuhren wir zu Hause schon durch Lorenz, der zu Fuße wieder ankam, während wir noch immer mit dem Mittag warteten und vor Angst und Spannung nicht wußten, wie wir unsere Zeit verbringen sollten.
Endlich kam unser Vater, und ich sah, wie seine Hand zitterte, als er die unserer Mutter drückte und lange in der seinen hielt. ›Übermorgen‹, sagte er, ›soll ich wieder zum Bürgermeister kommen. Wenn es doch erst übermorgen wäre!‹
Als er sich dann nicht an den gedeckten Tisch, sondern an dem kalten Ofen in den Lehnstuhl
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