Werke
die schlafend dort gelegen hatte. Zwar neigte Dagmar sich und drückte den Mund an das rauhe Ohr des Tieres: »Still, Heudan, still! Darfst auch zur Nacht vor meiner Kammertür schlafen!« Es wollte nicht verschlagen, die Dogge drängte die kleinen Hände fort, dann sprang sie mit den Vordertatzen auf die Mauer, und ein hallendes Gebell scholl in den Weg hinunter.
Als der Hund sich wieder knurrend zu ihren Füßen gestreckt
hatte, wagte auch Dagmar hinabzuschauen; aber es war nichts da als nur der lautlose Mondschein und in Pausen noch der Schlag der Nachtigall. – Trunken, als habe ein Zauber ihn berührt, schritt Rolf Lembeck indes am Waldesrande seinem Hause zu.
Es war auf Dorning schon nach Mitternacht. In der hochbelegenen, aber geräumigen Kemenate lagen die Seidendecken von Arras noch unaufgeschlagen auf dem Ehebette; unweit desselben aber auf einem Tischchen war ein lecker Mahl gerichtet; vor zwei Plätzen – nicht sich gegenüber, sondern Seit an Seite – stand je ein silberner Pokal; ein Kränzlein früher Rosen hing an jedem und erfüllte das Gemach mit Duft. Doch die Speisen waren kalt und unberührt, der eine der schmalen Sessel leer; auf dem anderen saß Frau Wulfhild wie ein steinern Bild, den Kopf auf ihren vollen Arm gestützt. Sie wußte nicht, wie lange sie so gesessen hatte; so ruhig der Leib schien, die Ungeduld des Wartens zehrte in ihrem Innern, und ihre Augen glühten dunkel über den heißen Wangen; wie sonder Gedanken hob sie eine Silberkanne und schenkte roten Wein in die Pokale, und mit der anderen Hand sich müde in ihr Goldhaar greifend, nahm sie den ihren und rührte klirrend an den Rand des andern. »Komm! Komm, Rolf! Verschmäh nicht deine Rosen!« rief sie leise.
Sie war emporgesprungen, sie stieß ein Fenster auf und bog sich weit hinaus, in der hellen Nacht über die Wipfel der absteigenden Wälder schauend; aber kein Menschentritt, kein Wächterruf erscholl; nur der Nachthauch wehte ihr kühl entgegen und trug von unten aus dem linken Flügel einen Schall vorüber: ein Waffenklirren, ein Stampfen wie mit vollen Krügen, dazwischen heisere Männerstimmen und dann und wann das Lachen eines Knaben. Ein sechzehnjähriger Junker, Gehrt Bookwald, war am Morgen angelangt, um bei dem kaiserlichen Ritter »Reiterei und Gottesfurcht« zu lernen; der Lärm kam unten aus der Gesindestube. Frau Wulfhild lauschte. »Die Knechte bringen ihm den Willkomm!« sprach sie, und das blonde Antlitz des Knaben, der nun ihr Diener war, zog an ihr vorüber. Es schien wüst herzugehen drunten, und eine Stimme klang ihr gleich der des ersten Ehegemahles, wenn er unter Zechbrüdern in seiner Freude saß; sie schauderte, und das Knabenbild erlosch.
Allmählich ging der Tumult zu Ende; es wurde totenstill, ein Kauz nur schrie von einem Turm herunter. Plötzlich warf sie jäh das Fenster zu und sah sich wild im Zimmer um: das Haupt des Toten, dem sie hatte sterben helfen, hatte aus der Nacht sie angestarrt. Doch es war nicht hereingekommen; die Kerzen brannten hell und ruhig.
Und wieder saß sie unbeweglich, und die Qual vergebenen Harrens war nicht mehr zu tragen. Da gedachte sie eines Wundergürtels, den eine uralte Muhme ihr zum ersten Ehefeste mitgegeben hatte. »Es ist derselbe«, hatte sie gesagt, »den einst der Ritter an Ginevra gab; so du ihn umlegst, kommt dir nimmer ein Leid!« Aber die stolze Braut hatte derzeit Zaubermittel nicht vonnöten und warf den Gürtel achtlos von sich. Doch nun war andere Stunde; sie kniete bald vor dieser, bald vor jener Truhe und warf um des verschmähten Kleinods willen ihre Kostbarkeiten durcheinander; da endlich hielt sie den goldgewebten Gürtel in der Hand, und dort saß der Rubin, vor dessen Schein alles Ungemach verschwinden sollte. Sie legte ihn über ihr weißes Nachtgewand, und er schmiegte sich leicht um ihre Hüften; aber vergebens sah sie auf den milden Glanz des Steines; der mußte gegen andere Schmerzen sein.
Noch eine Weile trug sie es; dann, wie in Scham ob ihrer Schwäche, riß sie das Zauberstück vom Leibe und warf es von sich, daß der Stein heraussprang. Zornig zog sie das Gewand von ihrem schönen Leibe und bestieg das Ehebett, aber auch die Seidendecke wollte ihr keine Ruhe bringen. »Komm nun! Du sollst! Du sollst!« rief sie, als könne sie durch ihren Willen den Ehegemahl in ihre Arme zwingen. Aber er kam nicht; und das Bild des schönen Mannes, der doch ihr eigen war, peinigte sie wie ein Gespenst; und die Kerzen, die noch auf der
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