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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Tafel brannten, wurden ihr unheimlich, als sei es zum Begräbnis.
    Zitternd stieg sie von ihrem Lager und löschte alle bis auf eine; dann nahm sie ein Stundenglas vom Kamingesimse und stellte es in den kargen Schein. ›Nichts anderes will ich sehen!‹ sprach sie zu sich selber; ›nur wie das Leben rinnt!‹ Und so lag sie gestützten Armes auf ihrem Kissen und blickte unablässig auf den rieselnden Sand; und war das letzte Korn hindurchgefallen, so stand sie langsam auf, das Glas zu wenden. Erst als im Dämmerscheine draußen der Wald erwachte und unter ihrem Fenster der Trupp der Arbeiter auf das Feld hinausging, war der schöne Leib in Schlaf versunken.
    – Der Mann, um den sie solches litt, war längst auf einem Schleichweg in die Burg gekommen; keine Brücke hatte sich um ihn gehoben, kein Tor geöffnet; aber zu seinem Weibe zu gehen, hatte er nicht vermocht. Im äußersten Winkel des einen Flügels war eine fast leere Kammer, die er als Haussohn einstmals innehatte; dort auf einem harten Faulbett lag er unausgekleidet, den blonden Kopf auf beiden Händen; das Baumrauschen vor seinem Fenster hatte ihn selig eingewiegt.
     
    Die Zeit war fast um eine Tagfrist weitergerückt; es war wieder Abend. Frau Wulfhild saß in ihrem Wohngemache, wo dunkelgemusterte Teppiche an den Wänden hingen; auch hier waren kleine Glasscheiben in den beiden Fenstern, und das Mondlicht, das hindurchfiel, mischte sich mit dem Schein der Kerze, die auf dem Tische stand. Das schöne Weib saß unbeweglich mit gestütztem Haupte. Da öffnete sich die Tür, und Gaspard der Rabe trat herein. »So kommst du endlich?« sprach sie und warf ihre müden Augen auf ihn.
    »Wohl, Herrin.«
    »Dein Kopf hat sich verrechnet«, sprach sie wieder. »Dein Herr schlief unter einem Dache mit mir; doch fern, in einer Bodenkammer; er hat das Edelwild verschmäht, das seiner wartete.«
    »Ich weiß das, Herrin«, antwortete der Schreiber; »er hat das Raubtier nicht erjagen können; es wird ihm nur die Wildkatz vor seinen Augen noch gesprungen sein.«
    »Laß deine Narreteidung!« sprach Frau Wulfhild finster. »Ich sagte dir einstmals, ich sei keine Henne; nun willst du mich gar reuen lassen, daß ich keine Wildkatz sei! – Ich fürchte wohl, hier ist ein ander Tier im Spiel!«
    »Was sagt Ihr, Herrin?« Und Gaspard richtete seine spitzen Ohren auf.
    »Sieh meine Hand, Gaspard – und fühl sie auch!« rief Frau Wulfhild und legte ihre weiße Hand an seine gelbe Wange. – »Nun, schauderst du noch nicht?«
    – »Nein, Fraue; lasset sie nur immer liegen!«
    Aber sie nahm sie fort. »Dann«, sprach sie, »stößt nicht meine Hand ihn fort; dann ist es eine andere, die ihn zu sich zieht!«
    »Sprecht weiter, Herrin! Mein Witz ist nicht so fein wie Frauensinn.«
    »Du sahst doch«, sprach sie, »wie er gestern auf dem Weg mir seine Hand entriß! Es tat nicht sanft; aber vorhin in der Dämmerung, er wollte fort, der Wildkatz wegen, als ich nach seiner Hand griff –«
    Sie war aufgestanden und ging mit starken Schritten durch das Zimmer. »Sieh her!« rief sie und streckte ihm ihre linke Hand entgegen; »der Blutriß ist von seinem Ehering! Ich hatte, mein ich, genug der Wunden aus meinem ersten Ehebund!« Sie warf den Kopf zurück und begann mit geschlossenen Fäusten wieder auf und ab zu schreiten.
    Gaspard sah dem eine Weile zu; dann sprach er: »Und, Herrin, wie dien ich Euch?«
    Da stand sie still und sah auf ihn herab; sie mußte erst der Frage nachsinnen. »Er wird auch heut nicht zu mir kommen«, sprach sie heimlich, doch ihre Stimme bebte vor Zorn; »er wird auf seine Bodenkammer schleichen und im Traum mit seinem Luftbild buhlen; aber du weißt es, Gaspard, der Mann, so stolz und wild er ist – er ist ein Kind; nimm ihm sein Spielzeug, und er vergißt es! Und du – sollst mir die Puppe suchen helfen!«
    Gaspart blickte schief zu Boden und zog mit einem leisen Pfiff den Atem durch die Zähne. Dann hob er langsam seine Schnabelnase und sprach mit scharfem Lächeln: »Kopf und Hände sind nur meiner Herrin!«
     
    An demselben Abend, nur etwas früher, saß zu Haderslevhuus die alte Base in ihrem stillen Gemache; an einer Wand stand das schmale Bettchen Dagmars, an einer anderen das der alten Dame mit dem großen Himmeldach; daneben hing ein Gefäß mit Weihwasser, darüber die geschnitzte Mutter Gottes; in einer Wandnische lagen handschrifliche Dichterwerke, an denen sie sich einstmals in der Jugend die Wangen heiß gelesen hatte. Sie selber saß

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