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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Lembeck aber drang in den dunkeln Wald, aus den Tannen kam er in den Buchenforst; er stand an jedem starken Baum und lugte nach allen Ästen, ob nicht die Lichter des Raubtieres irgendwo herunterfunkelten, aber über ihm war so schwere Waldnacht, daß nur wie Tropfen das Mondlicht hie und da hindurchfiel; zu hören war nichts als nur das Knicken des Unterholzes, das er durchschritt, auch wohl das Zirpen einer Eulenbrut. Er blieb stehen und warf die Armbrust wieder auf den Rücken: ›Du warst ein Narr; hier ist kein Jagen in der Finsternis!‹ Seine Gedanken flogen heim zu seinem Weibe; doch er schüttelte den Kopf: »Nein, nein, Frau Wulfhild« – er sprach es laut in die einsame Nacht hinaus –, »eine Schlachtjungfrau wärst du wohl eher; und hat auch schon ein wundgehauener toter Mann an deinem Leib gehangen!«
    Fast erschrak er über die eigenen Worte, die die Stille um ihn her durchbrachen; aber er kehrte nicht um, er schritt weiter auf seinem nächtlichen Irregang. Da, von unweit vor ihm, drang es an sein Ohr, so süß, als wollt es alle Sehnsucht wecken, die in ihm schlief. »O Nachtigall, selige Singerin!« rief er, seine Arme in das Dunkel streckend.
     
    Schon flog der Mai
    Vorbei, vorbei,
    Und brachte nicht, was minnewert!
    Willst du sie künden,
    Soll ich sie finden,
    Die Fraue, die mein Herz begehrt?
     
    Bald stand er, bald ging er vorsichtig weiter, und immer nur dem Schalle nach. ›Was hätt ich bessere Führerin!‹ sprach er zu sich selber.
    Der Wald ging zu Ende, und durch die Stämme sah er auf einen Sandweg, auf den der Mond seinen Schein herabwarf. Jenseit, in gleicher Helle, stieg eine jähe Hügelwand empor, und eine Zinnenmauer streckte sich auf ihr entlang. Rolf Lembeck betrachtete das genau; als aber seine Augen hinter Baumwipfeln den Oberteil eines runden Turms gewahrten, da wußte er, das sei die Gartenseite von Haderslevhuus, auf dem der Schloßhauptmann des Königs sitze.
    Der Ritter schaute starr hinauf, als müsse er ein Wunder hier erwarten; aber nur der Nachthauch rührte dann und wann das Laub der Bäume, und in kurzen Pausen schlug am Waldesrand die Nachtigall. Doch wie ein jäher Schreck durchfuhr es ihn: dort oben zwischen den Zinnen lehnte jetzt ein Weib; nein, nicht ein Weib; ein Kind – er wußte nicht, ob eines, ob das andere. Den Arm mit einem weißen Mäntelchen verhüllt, neigte sie sich tief hinab; denn der Kehle der Nachtbeleberin entquollen jetzt jene langgehaltenen Töne: sehnsüchtig, nicht enden wollend, wie ein heißer Liebeskuß.
    Rolf Lembeck stand unten im Waldesschatten, unbeweglich, mit verhaltenem Atem. »O Stunde, bist du da!« Seine Lippen flüsterten es nur; das sanfte Rauschen weiblicher Gewänder berührte von oben her sein Ohr; ein Atmen, mehr ein Seufzer, kam herab; und nun hob sich ein Antlitz, schmal und blaß, und legte sich auf das gestützte Händchen; das Mondlicht schimmerte auf einem Silberreife, der das dunkle Haar umfing.
    Da befiel den Mann am Waldesrand die sehnende Schwere, die allein nicht mehr zu tragen war; es drängte ihn hinaus ins Helle, und die Arme ihr entgegenstreckend, rief er: »O Schöne, Selige! Gott woll ein süßes Leben so süßem Geschöpfe geben!«
    Sie erschrak und bog sich von der Mauer weg; doch dann besann sie sich: die Worte waren ja aus Meister Gottfrieds »Tristan«, nur daß sie in Frankreichs Zunge dort geschrieben waren! Sie hatte sie eines Tags gelesen; aber die Base hatte ihr voll Angst das Buch entrissen; so etwas sei noch nicht für ihre Jugend! Nun kam der Reiz, zu zeigen, was sie wisse. ›Das ist kein Landfahrer, der ist nicht zu fürchten!‹ sprach es in ihrem Innern; und als sie wieder sich erhob, erblickte sie drunten den schönen Jungherrn in blitzendem Gewande und sah das Mondlicht auf seinem goldenen Blondhaar spielen; denn er hatte sein Haupt entblößt und hielt die Kappe mit der Reiherfeder in einer seiner Hände, die er wie anbetend ihr entgegenstreckte. Da faßte sie Mut und rief ihm aus demselben Buche ihre Antwort: »Dé te bénie! Gott segne dich! Et merci, gentil Sir!« Aber ihre Stimme zitterte und wehte nur wie ein Hauch hernieder.
    Gleichwohl, da er seine Kappe wie zum Gegendanke schwenkte, fügte sie zaghaft noch hinzu: »Seid Ihr ein Sänger, Herr?«
    »Ein wenig, selig Fräulein!« rief er ihr entgegen. Aber eine Antwort kam nicht mehr herab, denn zu den Füßen des Kindes regte es sich und hob sich auf; vergebens mühte sie sich, den Kopf der ungestümen Dogge niederzuhalten,

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