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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Minnequalen, wie er noch nicht empfunden hatte, und sie gruben ihre Spuren in sein hoffnungsfrohes Antlitz und löschten den Glanz in seinen blauen Augen.
     
    O Minneleid, o sehnende Not,
    Euch will ich tragen
    Sonder Klagen
    Vom Morgen- bis zum Abendrot;
    Nur nicht, wovon zu sagen:
    Kein Leben und kein Tod!
     
    So klagte er. Aber sie, die eine, hörte es nicht; ein anderer war es, der ihre Hand zu fassen kam.
     
    In der Kemenate der Base lag Dagmar; die Alte hatte ihrem Kinde den Platz geräumt und sich woanders hingebettet. Die Kranke war am Abend mit den Sterbesakramenten versehen worden; jetzt brachen die ersten Morgenlichter in das Zimmer.
    »Mein Vater!« rief sie.
    »Ich bin bei dir, Kind!« sprach der Schloßhauptmann, der die Nacht am Bette gewacht hatte.
    »Hör!« sagte sie und hob einen Finger ihrer bleichen Hand. »Über uns, da oben auf der Hausfirst, sang die Amsel!«
    Er schüttelte den Kopf: »Du irrst dich, Dagmar, im Oktober singt keine Amsel; die Blätter fallen schon.«
    »Ja, horch nur!« sagte sie wieder. »Ich hör’s, sie singet mir den Tod an!« Und sie streckte sich lang auf ihrem Lager und faltete die Hände unter ihrer Brust.
    »Mein Kind, du weißt, sie singt auch dem Leben; aber ich höre keine Amsel.«
    Sie antwortete nicht; nur ihr Haupt, das mit geschlossenen Augen auf dem Kissen lag, bewegte sich wie verneinend.
    Der Ritter sah auf sein Kind und wie in schweren Zügen die kleine Brust sich hob und senkte; dann ward es stiller. Da streckte sie plötzlich wie in heftigem Gebet die Arme vor. »Nein, nein! Oh, noch nicht!« rief sie angstvoll; »nur noch ein Weilchen!« Dann wandte sie das Haupt, und mit weit aufgerissenen Augen blickte sie auf ihren Vater.
    Er fuhr zusammen, denn er kannte diesen flimmernden Schein; die Seele schien ihn nur mühsam festzuhalten. »Sprich, mein Kind!« sagte der Ritter sanft.
    »Ich sterbe, noch heute!« sprach sie hart, und ihre kleine Hand erfaßte mit festem Griff des Vaters Arm. »Ich hab noch einen Erdenwunsch: Rolf Lembeck – zürne nicht!« rief sie zagend.
    Aber der verhaßte Name, den sie nimmer noch gesprochen hatte, war gleich eines giftigen Wurmes Stich ihm in das Herz gedrungen. »Nenn den Verruchten nicht! Die Minne, die dich betörte, verwest mit deinem Leib im Grabe!«
    »Wer sagt das?« rief sie heftig.
    – »Nicht ich, mein Kind; die heiligen Bücher sagen es, die Kirche! Du weißt es ja!«
    Ein Seufzer, wie ein Abschied von aller Erdenseligkeit entrang sich ihrer Brust. Dann aber kam ein hastig Sinnen in ihre Augen, und ihre Hände strichen das wirre Haar sich von der Stirn. »Nein«, rief sie laut und richtete sich jäh empor, ein geisterhaftes Leuchten flog aus ihren Augen, »ich weiß es, Vater: die Minne ist stärker als der Tod!«
    Ein Lachen voll Verzweiflung scholl aus des Ritters Kehle. »Gott wird euch scheiden!« rief er. »Dich wird er zu der Mutter seines Sohnes weisen; ihn, den Verfluchten, zum tiefsten Grund der Höllen. Tu dein Gebet, daß Gott sein Bild aus deiner Seele reiße!«
    Da antwortete sie nicht mehr; aber ihre Hände hob sie betend auf, und flehend, daß kein Menschenherz ihr hätte widerstehen können, sprach sie: »Hilf du mir, lieber Herrgott! Nimm ihn mir nicht! Ich könnte sonst nicht in deinem Himmel leben!«
    Der starke Mann fiel nieder auf seine Knie: »Sprich, Kind! – Alles, was du willst!«
    Sie hatte sich mit beiden Armen aufgestemmt, mit aufgerissenen Augen sah sie ihren Vater an. »Rolf Lembeck!« flüsterte sie heiser. »Weiter nichts!« Sie hatte dem Tod die Worte abgerungen; nicht Dagmar war es, nur ein Gespenst von Dagmar saß an ihrer Stelle. »Lad ihn zu meiner Leiche, Vater! Sein Auge soll auf mir ruhen; noch einmal! Dann« – die Stimme brach ihr plötzlich – »laß ihn ziehn in Frieden!«
    Ihr Mund war stumm; sie sank auf ihre Kissen.
    Die Base war inzwischen leis hereingetreten und kniete neben ihr. »Oh, Kind, und in solcher Törnis willst du uns verlassen!« murmelten die alten Lippen; aber die Kranke regte sich nicht mehr. Der Ritter sprach zu sich: ›Es ist alles aus, mein Leben mit dem deinen!‹ Er legte lind die Hand auf Dagmars Stirn und sagte: »Es soll geschehen, wie du es willst, mein Kind!« Und wie ein Lächeln flog es noch einmal über ihr Antlitz, sie lebte noch.
    Aber da ihr Odem schwächer wurde und er sah, daß ihre Seele fliehen wollte, ging er zu einem Lädlein, darin geweihte Kerzen lagen, noch von dem großen Sterben her. Er nahm eine heraus und

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