Werke
der Brauch!« scholl eine rauhe Stimme, und eine Gestalt mit Speer und Tuthorn hatte sich vor uns hingepflanzt.
»Mann der Nacht«, sagte Franz. »Lassen Sie uns, wir fahren jetzt gen Waiblingen.«
Der Wächter sah verächtlich nach unseren Stiefeln: »Fahre? Und da hent Se’s Schusters Rappe dazue eing’spannt?«
»Ganz recht, Liebwertester, aber« – und Franz konnte, wenn es ihm nötig schien, ein gar fürnehmes Wesen vortun – »Er kennet uns wohl nicht? Wir sind fahrende Sänger, falls Er von solchen jemals etwas sollte gehört haben; Er aber ist ein Zuberklaus, und wir wünschten ihm Verstand und gute Wacht!«
Damit schritten wir rüstig weiter und dem andern Tore zu, aber noch lange hörten wir den Wächter schelten.
Draußen malte jetzt der Mondschein die Schatten der Bäume quer über die Chaussee; hinten aus der Stadt schlug es von den Türmen eins. Als wir etwa eine Stunde wacker zugeschritten waren, regte sich etwas in mir, das ich alsbald und zweifellos für Hunger anerkennen mußte; denn seit acht Uhr hatten wir wohl alle nichts gegessen. Aber in Waiblingen! Die Wecken mußten bei unserer Ankunft gerade fertig sein. Ich griff in meine Tasche, fand aber nur vier lose Kreuzer. »Halt!« rief ich, »ich spüre einen Männerhunger.«
Alle standen still. »Warum redst du nur davon!« sagte Franz. »Der Teufel hol, nun fühl ich auch dergleichen.«
»Aber du hast doch Geld zu dir gesteckt?«
»Versteht sich!« rief er und fuhr zuversichtlich in seine Tasche; aber das geöffnete Portemonnaie ergab nur sieben Kreuzer. »Hm!« sagte er, »daß ich bei der Ausfahrt nicht an das schändliche Metall gedacht habe! Aber« – und er sah uns lachend an – »im Grunde war es auch egal gewesen, ich führe doch allzeit mein Vermögen in der Tasche.«
»Ihr seid auch ewig hungrig!« murmelte Marx.
Franz nickte ihm zu: »Das verstehst du nicht, Lavendel, du nährst dich nötigenfalls von Schnecken und Knoblauch, wir mögen das nicht! Sieh lieber einmal nach dem Wesentlichen in deinen Taschen!«
Sie wurden umgekehrt, und als Summe unseres Gesamtvermögens ergaben sich dreizehn Kreuzer. »Das reicht für die Morgenwecken!« rief Franz. »Und nun vorwärts auf die alte Hohenstaufenstadt!«
Und weiter ging es, und allmählich begann der Mond zu blassen, und ein leises Morgendämmern zog durch die Welt. Nach zweistündiger Wanderung scholl ein dumpfer Glockenton zu uns herüber. »Hört ihr’s?« rief Franz. »Die Glocke von Waiblingen schlägt drei Uhr, nun sind die Wecken fertig!«
»Da halte ich auch mit«, sagte Marx; »euer Schwätzen hat mich angesteckt!«
Franz klopfte ihm auf die Schulter: »Siehst du, Halbfranzöschen, nun wird dein Vaterteil lebendig.«
Bald hatten wir die alte Stadt erreicht; die finsteren Giebel sahen auf uns herab, und die engen Gassen führten uns bergauf, bergab. Aus einem geöffneten Fenster wehte der lockende Duft von frischgebackenem Brote auf uns zu, und da ich aufblickte, sah ich zwei Engel eine goldene Brezel uns entgegenhalten; aus dem Fenster drang ein schwacher Lichtstrahl auf die Gasse. »Koin Schritt gang i weiter!« sagte ich schwäbelnd und klopfte an die Scheiben des geschlossenen Fensters. Auch die andern stützten sich auf ihre Wanderstäbe, des Erfolges gewärtig. Und nach einer Weile fuhr der Kopf eines Mannes durch die Fensteröffnung mit weißer Linnenmütze und gutmütigen, noch etwas verschlafenen Augen und sah uns der Reihe nach voll Verwunderung an. »Ah, meine Herre«, sagte er dann, »Se send ja scho früeh auf!«
»Ja, Meister, und wir sind schon von Stuttgart kommen!«
»Ei der Tausend, scho vo Stuegert? Des wär!«
»Ja freilich; aber saget, sind denn die Wecken fertig? Wir haben Hunger!«
»No net, ihr Herre, aber bald! Send Se no so guet und ganget Se derweil in d’Stube!«
Und rasch war die Haustür geöffnet, und wir traten in ein großes Zimmer, in dessen Verlängerung wir auf den Backofen sahen. Ein köstlicher Duft strömte von dort auf uns zu, und in Erwartung der Wecken setzten wir uns auf die Holzbänke, die um einen groben Tisch an der Wand entlangliefen. Der Meister ging zwischen uns und dem Ofen hin und wider, bald aber schüttete er aus seiner weißen Schürze einen Haufen Wecken vor uns hin und schob ein großes hölzernes Salzfaß, das auf dem Tische stand, in unsere Nähe. Ha, wie uns die in Salz getauchten Wecken schmeckten, und wie taschenspielerartig wir sie verschwinden ließen! Auch Marx hielt tapfer mit, und seine
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