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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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wüescht mit em umgange, nu – – Sie werdet’s selber sea.«
    Nachdem ich darauf Franz in seiner Wohnung abgeholt hatte, gingen wir nach Marx’ Zimmer, und wir beide suchten aus dessen Kommode das Nötigste zusammen; dann beluden wir einen Knaben mit den Kleidern und begaben uns nach dem Rathause. Auf Befragen kam ein Mann mit schwerem Schlüsselbund, der uns durch mehrere Gänge in ein großes Gemach führte, wo viele Schreiber arbeitend an großen Tischen saßen. Hier schloß er seitwärts eine Tür auf, und wir traten in einen engen, scheinbar leeren Raum; nur in einer Ecke lag ein Haufen Heu und Stroh; daneben stand ein gefüllter hölzerner Napf mit ebensolchem Löffel, aus dem eine warme Flüssigkeit dampfte. Aus dem Streuhaufen erhob sich eine schwarze Gestalt, in der wir mit Mühe unsern Freund erkannten. Schwarz auch im Gesicht und an den Händen, wie vor Frost zitternd, streckte er seine Arme uns entgegen; wir sahen bald, daß er von oben bis unten mit Kienruß eingerieben war. »Du bist krank«, sagte ich; »nimm doch einen Löffel von der warmen Suppe da!«
    »Das soll ich fressen!« rief er grimmig und schüttelte sich schaudernd; »Gefangenenkost, nein, nein; ich ertrag das nicht, es gibt noch Wege aus der Welt heraus.«
    Wir kannten diese Reden und achteten nicht darauf, obgleich er sie ein paarmal wiederholte und dabei wie mitleidig auf seine feinen Hände sah. Franz war fortgegangen und kam nun zurück. »Du bist frei«, sagte er, »du kannst nach Hause gehen, wann du willst; aber erst müssen wir aufs Bureau und wegen der an dir verübten Niedertracht eine Anzeige zu Protokoll geben!«
    Marx wollte nicht in seinem jetzigen Zustande; aber Franz bestand darauf, das gehöre mit dazu; überhaupt, hier könne er nicht gereinigt werden.
    Als wir in hellere Räume traten, sahen wir erst, wie er zugerichtet war. »Ich bin geschändet, mein Leib ist ganz geschändet!« murmelte er.
    »Marx, laß die dummen Reden!« hörte ich Franz sagen, indem er ihn die Treppe nach dem Bureau hinaufführte, »wenn du dich gewaschen hast, so ist die Schande aus!« – Sie stiegen weiter; ich ging aus dem Rathause, um eine verdeckte Droschke zu besorgen; und nach einer Weile fuhren wir mit Marx und seinen frischen Kleidern in irgendein Bad, und nachdem er mit vieler Mühe gereinigt und anders gekleidet war, in den Saal unserer ›Drehorgel‹, wo wir uns und vor allem unsern Freund durch einige Seidel und Bratwürstel wieder aufzurichten suchten.
    Aber seit jener Nacht ging es dennoch abwärts mit unserem lieben Lavendel; sein Gang wurde schleichend, sein Gesicht magerer und seine Augen größer; niemals habe ich seitdem einen Wohlgeruch an ihm verspürt, der sonst bald in Rosen-, bald in Veilchen-, oder in dem Dufte seines Namens seinem wohlgepflegten Haar entströmte; am Klavier saß er nur noch, um den Lehrern gerecht zu werden oder um die Zeit nur hinzubringen; ich konnte mich nicht mehr überwinden, ihn zum Chopinspielen aufzufordern. Er wurde so reizbar, daß die andern Freunde sich allmählich von ihm zurückzogen und er seinen Umgang fast auf mich beschränkte. »Siehst du«, sagte er, »sie verachten mich! Sie wollen mich nicht mehr!« – Dann bat ich sie, und sie näherten sich ihm wieder; aber bei nächster Gelegenheit hatte er sie wieder aufs neue von sich gestoßen.
    Man sagt von mir, daß ich ein geduldiger Mensch sei, und wenn ich an jene Zeit zurückdenke, so möchte ich es fast selber glauben. Einmal war Marx polizeilich vernommen worden; dann schien die Sache stillzustehen, wahrscheinlich war sie dem Gerichte übergeben worden; Vorladungen gelangten nicht an Marx. So ging eine Woche nach der anderen hin; er wurde immer aufgeregter und die häufigen Abendspaziergänge mit ihm immer peinlicher. »Geschändet! Geschändet!« begann er jetzt wieder zu murmeln, wenn er eine Weile in sich versunken neben mir gegangen war. Und wenn ich dawider sprach, dann fuhr er auf: »Du kannst das nicht beurteilen! Aus allen Ecken glotzt es auf mich zu; jeder Gassenbube! Ich möchte ihn an die Ohren schlagen! Mein Name, mein guter Name als nächtlicher Trunkenbold und Ruhestörer in den Straflisten! Als Bestrafter dem Direktorium des Konservatoriums angezeigt! Komm!« rief er plötzlich, ergriff meine Hand und zog mich aus der Allee, in der wir gingen, in einen Seitenweg; »es ist so hell hier; hier sind so viele Leute! Was fang ich an? Es ist alles aus; ich kann mich nicht mehr sehen lassen. – Und die Zeitungen!

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