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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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ich weiß nicht, weshalb er sich so von ihr plagen ließ. Das Beste an der Frau war jedenfalls ihre zwölfjährige Tochter Anna; braun, feingliedrig, mit dunklem Haar und, oh, mit welchen Augen! Es war etwas Begehrliches in dem Mädchen; aber alles, was sie tat, und mochte sie in einen Apfel beißen, geschah mit einer Art von froher Anmut. Wie jetzt mit dem Jungen, so hatte der Kapitän es damals mit dem Mädchen: er wußte selbst nicht, was er dem verzogenen Ding zu Willen tun sollte; er kaufte ihr seidene Schürzen und rote Tüchelchen, mit denen sie dann auch sogleich erschien; er stopfte ihr Marzipan und gebrannte Mandeln in die Taschen, und wenn sie vergnügt zu schmausen anfing, dann lachte er über sein ganzes gutes Angesicht. »Nicht wahr, schlecken und dich putzen«, sagte er und schüttelte das hübsche Ding an beiden Schultern, »das möchtst du wohl dein Leben lang; aber wart nur, Rackerchen, es wird noch anders kommen!« Und sie sah mit lachenden Augen zu ihm auf und nickte nur, denn sie hatte ihr Mäulchen noch voll von seinem Futter. »Naschkatze du!« rief dann der Kapitän und schaute, die Hände in den Taschen, ihr voll Vergnügen zu.
    Auch ins Theater, als einmal ein Zauberstück gegeben wurde, hatte er sie mitgenommen. Dort aber hatte sie nur auf die silbernen Sternen- und Meernixenkleider gesehen, wenn auch sonst die glänzendsten Helden über die Bühne schritten; sie hatte nur davon geredet und ihn immerfort gezupft und angestoßen und zuletzt gesagt, wenn sie groß wäre, wolle sie auch Komödiantin werden und solche Kleider tragen. John Riew’ war in Todesangst geraten. »Daß du dich nicht unterstehst!« hatte er so laut gerufen, daß das ganze Parterre die Köpfe nach ihm umgewandt; »weißt du wohl, wenn sie tot sind, die kommen alle in die Hölle!« Seitdem hatte er sie nicht mehr in die Komödie gebracht.
    Auf sein Zimmer aber kam das Kind mehrmals am Tage; denn die Mutter hatte es so eingerichtet, daß sie selber mich, ihre Tochter aber, wenigstens außerhalb der Schulzeit, den Kapitän bediente. Es ist mir wohl später eingefallen, daß dies, bei aller Ehrenhaftigkeit des Mannes, auch kein Zeugnis für die Verständigkeit der Frau gewesen sei; denn die Herzensgüte unseres Kapitäns war doch mitunter derart, daß sie mehr zu einem handfesten Schiffsjungen, so zwischen See und Sturm, als zu einem zierlichen halbgewachsenen Mädchen passen mochte.
    Als wir eines kalten Oktoberabends wieder einmal plaudernd auf der Straßenbank saßen, fuhr der Nordwest uns endlich so eisig in den Nacken, daß er mich einlud, mit ihm in seine Kabine hinaufzusteigen, wo wir behaglicher unser Gespinst abwickeln könnten. Ich hatte nichts dagegen und saß dort kaum in einem guten Polsterstuhl, den er mir hingeschoben hatte, als ich ihn auch schon, die Hand am Schlüssel, vor einem Wandschränkchen stehen sah. »Nun, Nachbar«, rief er, »wir müssen, deucht mir, ein Quantum heizen! Rum oder Kognak? Für Prima-Qualität wird garantiert.«
    Von den Schätzen dieses Schrankes hatte ich schon gehört. »Das wird Ihnen überlassen, Kapitän!« rief ich.
    »Also Rum!« erwiderte er. Dann schloß er auf, und nachdem er an der Klingelschnur gerissen hatte, stellte er eine Flasche und zwei tüchtige Glashumpen auf ein daneben stehendes Tischchen.
    Nach einer Weile flog ein leichter Schritt die Treppe herauf, und Anna trat mit einem Kesselchen voll heißen Wassers in die Stube; sie nickte uns vertraulich zu, entzündete dann die auf dem Tisch stehende Spirituslampe und setzte den Kessel darüber.
    »Nachbar«, flüsterte der Kapitän, »was sagt Ihr zu meinem kleinen Maat?«
    Der kleine Maat aber stand, die Hände in den Schoß gefaltet, und neigte das dunkle Köpfchen nach dem Kessel. Als es zu sausen anhub, wandte sie sich und wollte gehen.
    »Oho!« rief der Kapitän, »du meinst wohl, wir sollen uns unser Glas heut selber machen!«
    Sie blieb stehen, schüttelte den Kopf und wurde purpurrot. Dann aber ging sie lautlos nach dem Schrank, hob ihre schmächtige Gestalt auf den Zehen und holte vom obersten Bord eine Schale mit Zucker herab.
    »So recht, Anna!« rief der Kapitän. »Nun zeige, was du von mir gelernt hast!«
    Und das feine Ding nickte wieder ein paarmal, nur so in den Schrank hinein, aber doch, als sollt es heißen: »Ohne Sorge, soll schon werden!« Dann begann sie die drei Elemente sorgsam zu mischen, schaute auch einmal durch das Glas, indem sie es mit dem etwas hageren Ärmchen gegen die jetzt über

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