Werke
könne!«
Ich bin ihr wohl ein schlechter Tröster gewesen, da wir miteinander nach der Stadt zurückgingen. Aber das treffliche Mädchen, das wie gern die Eltern als des lebenden Sohnes Weib gesehen hätten, sorgte, bevor noch jene daran denken konnten, für die Instandsetzung des Grabes und bepflanzte es mit eigenen Händen, damit, wie sie mir sagte, doch keiner glaube, daß ein Vergessener hier liege.«
Der Erzähler schwieg eine Weile.
»Mein armer, törichter, herzlieber Freund«, rief er dann, »nein, vergessen bist du nicht, ich habe deine letzte Bitte wohl behalten!«
Er war aufgestanden. »Gute Nacht!« sagte er. »Seht nur, wie über uns die Sterne funkeln! – Doch noch eines muß ich sagen: die ›Königskinder‹ blieben auch ferner unser Signal; aber wir pfiffen es nur noch in Moll.«
Er drückte uns die Hand und ging; und noch in der Nacht hörte ich ihn in seinem Zimmer auf und ab schreiten.
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John Riew’
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Mein Haus steht auf dem Lande, in einer holzreichen Gegend zwischen einem Kirchdorf und einem kleinen, in breiten Kastanienalleen fast vergrabenen Orte, welcher allmählich um einen Gutshof aufgewachsen ist, von beiden kaum zehn Minuten fern. Fast täglich mache ich nach rechts oder links meinen Spaziergang, und im Frühling und Sommer ergötzt mich dann das Leben, das hier aus den Bauerngehöften, im Orte aus den kleinen Häusern der dort wohnenden Handwerker oder Handelsleute auf den Weg oder in die Vorgärten hinausdringt; die Kinder des Gutsortes und ich, wir grüßen uns allzeit ganz vertraulich; um Weihnachten aber beehren sie mich von beiden Seiten, sei es als »ruge Klas« oder als »Kasper und Melcher aus dem Morgenland«, und sind freundschaftlicher Behandlung sicher.
Deshalb plagte mich ein Haus am Ende des Gutsortes. Ich selber hatte es teilweis bauen sehen, und als ich einmal einige Monate fortgewesen war, stand es bei meiner Heimkehr fertig da; aber sooft ich später daran vorbeiging, es wollte mir nicht vertraut werden, denn in diesem Hause war kein Leben: niemals sah ich einen Menschen dort hinein- oder herausgehen, niemals regte sich etwas hinter den blanken Fenstern, die je zwei zu den Seiten des vertieften Säuleneinganges aus den roten schwarzgefugten Mauern auf einen mit dunklen Koniferen vollgepflanzten Vorgarten hinausgingen. Den Einblick wehrten ungewöhnlich hohe Vorsätze von schwarzblauem Drahtgewebe; dahinter sah man schattenartig und regungslos nur die weißen Gardinen herabhängen. Alles war sauber und wie unberührt, aber zwischen den gelben Klinkern, von denen ein breiter Fries um das Haus lag, und zwischen den drei Granitstufen der Haustreppe trieben die grünen Grasspitzen hervor. Und dennoch sollte das Haus bewohnt sein: ein Auswärtiger – so hörte ich – habe das früher dort gestandene geräumige, aber verfallene Gebäude in Erbgang oder sonstwie erworben und statt dessen durch einen fremden Maurermeister den jetzigen Bau dorthin setzen lassen; ja, nicht er allein, es sollte außerdem von einer ältlichen kränkelnden Frau und von einem gar argen zwölfjährigen Buben bewohnt sein; wie aber das Verhältnis der drei Personen zueinander war, darüber wußten die von mir Befragten nicht Bescheid zu geben: die Bewohner schienen nur miteinander zu verkehren.
Von dem Jungen freilich ging bald allerlei Gerede: er sollte aus der Volksschule wegen dort unzähmbaren Wesens fortgewiesen sein und seit einiger Zeit die vornehme Institutsschule besuchen, wo die Knaben Französisch und Englisch, sogar Latein und Griechisch lernen konnten; auch hier war er schon ein paarmal eingesperrt gewesen; dennoch sollte der alte Riewe – diesen bei uns nicht ungewöhnlichen Namen trug der Hausherr – ihn zu seinem Erben eingesetzt haben. Bändigen sollte auch er ihn nicht können; ja, man erzählte, als nach einer neuen Schulstrafe der alte Herr mit liebreicher Ermahnung auf den Knaben eingedrungen sei, habe dieser plötzlich eine freche Gebärde nach ihm hin gemacht und, aus der Tür rennend, auf plattdeutsch noch zurückgeschrien: »Din Geld krieg ick doch, ohl Riew’!«
Ich frug wohl diesen und jenen, woher denn der Mann gekommen sei; die einen meinten: aus Lübeck, die andern: aus Flensburg oder Hamburg; auch wohl, was er denn sonst getrieben haben möge, und diese machten ihn zu einem Makler, die andern zu einem früheren Schiffskapitän. Ich hätte mich bei der Gutsobrigkeit erkundigen können, aber, obgleich die Dinge mich sonderbar interessierten, welche
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