Werke
unserem Tische brennende Ampel hielt, und goß noch ein paar Feuertropfen in dasselbe, ohne aber vorher weder mit noch ohne Löffelchen daraus gekostet zu haben.
»Wenn’s gefällig ist!« sagte sie dann, indem sie uns die Gläser auf einem Tablettchen darbot.
Ich nahm das meine, und schon an dem Dufte merkte ich, es war ein steifes Seemannsglas. Der Kapitän aber, als sie zu ihm trat, legte beide Arme vor sich auf den Tisch. »Nun?« sagte er und sah lachend unsere kleine Schenkin an; »ich muß wohl heut um alles betteln gehen!«
Sie stand einen Augenblick wie verlegen.
»Oder scheust du dich vor unserm jungen Herrn?« fügte der Kapitän hinzu.
Da hob sie das Glas an ihre Lippen. »Wohl bekomm’s!« sagte sie leise; dann trank sie, und es schien mir, daß sie mit Behagen trinke.
»Halt, halt, Jüngferlein!« rief der Alte lachend; »ei, seht doch, schickt sich das für ein so zartes Manntje?«
Aber schon hatte sie das Glas vor ihn auf den Tisch gesetzt, und wir hörten, wie sie draußen wiederum die Treppe hinunterflog.
»Eine Wetterhexe!« sagte der Kapitän ; »wenn die ein Junge wäre, mit dem ginge ich noch einmal auf die alten Planken!«
Ich aber weiß noch sehr wohl, wie ich ihn um sein Glas beneidete, an dem der süße Mädchenmund geruht hatte.
– – Wie eine Bilderreihe zog das alles jetzt an mir vorüber; plötzlich aber stolperte ich, mein Stock flog mir aus der Hand, und ich sammelte mich geduldig vom Erdboden auf; denn ich war mitten im Walde, der mir soeben seine dicken Buchenwurzeln vor die Füße gestreckt hatte. Langsam kehrte ich um und ging nach Hause, doch die Gedanken wollten mich nicht lassen. Das anmutige Kind, von dem ich später nie wieder etwas gehört hatte, sie mochte jetzt etwa dreißig Jahre zählen – was war aus ihr geworden?
Es ließ mir doch keine Ruhe: Wie kam der Kapitän hieher? Was war das mit dem Jungen?
Tags darauf ließ ich den Abend herankommen, es mochte schon neun Uhr sein, als ich vor dem roten Hause stand. Alles war dunkel, aber eben vorher hatte ich von der Hinterseite aus einen Lichtschein auf den kahlen Gartenbüschen wahrgenommen. Ich drückte die Haustür auf, an der keine Glocke läutete, und stand in einem dunkeln Flur, in den jedoch, scheinbar durch das Schlüsselloch der Tür einer Hinterstube, ein schmaler Lichtstreifen hineindrang. Es rührte sich aber nichts im Hause, und ich tastete weiter, bis ich mit den Händen an die Türe stieß.
»Herein! Wer ist da?« rief es drinnen, als ich eben eintrat.
Der Kapitän saß neben einer Lampe an dem Sofatische und las in einer großen Zeitung, die ich später als den »Hamburger Korrespondenten« erkannte – außer ihm war nur der schöne Knabe in dem Zimmer; er stand mit einem brennenden Lichte vor dem Spiegel und schnitt Gesichter, die er einigen Fratzen im »Kladderadatsch« nachzumachen schien; wenigstens lag auf dem Spiegeltischchen ein Exemplar davon.
»Guten Abend, Kapitän!« sagte ich kräftig; »da Sie nicht zu mir gekommen sind, so haben Sie wohl nichts dagegen, daß ich Ihnen meinen Antrittsbesuch mache?«
Er war aufgestanden, während der Junge seine Unterhaltung mit unbekümmerter Geschäftigkeit fortsetzte, und ich konnte den Alten im Schein der Lampe ungestört betrachten. An Haar und Bart sah man freilich, es war Winter geworden; aber seine Wangen blühten noch immer, und die guten Augen darüber sahen mich wie einstens hell und freundlich an. Ich wollte reden; aber er legte seine Hand schwer auf meine Schulter. »Halt! – Halt!« sagte er. »Ich werfe Anker! Hamburg – beim Kaiserhof – das Häuschen – meine Kabine! Alle Millionen Windrosen, Herr Nachbar, und Sie wohnen hier?«
»Ja, ja, Kapitän ; und Sie wohnen hier?«
»Ei, freilich«, rief er lachend, »und so wohnen wir alle beide hier! Rick!«, und er wandte sich zu dem Knaben, »zünde die Spritflamme an und nimm eine Flasche aus dem Schränkchen! – Junge, hörst du denn nicht!«
»Ja, Ohm, ich höre ja schon!« rief der Knabe, setzte den Leuchter auf das Spiegeltischchen, daß das Licht aus der Röhre sprang, und vollbrachte dann das aufgetragene Geschäft. Meine Augen folgten ihm, und mit Verwunderung sah ich hier im neuen Hause ein gleiches Schränkchen wie in der Hamburger Baracke.
Der Kapitän hatte indessen mein Gesicht gemustert, als wolle er die Züge des einstigen Gymnasiasten herausstudieren. »Sie also sind der Doktor, der sich das große Haus dort auf der Höhe gebaut hat?«
»Ja freilich,
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