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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Leichtmatrosen abgeben.
    Der Kapitän nickte: »Ja frili; he kiekt all över ’n halv Stunn in ’t Abendrot!«
    Aber nun mußte Fritz herunter und mit Marten an die Abendschüssel, aus der er zwar kaum eine Pellkartoffel und einen Heringsschwanz verzehrte.
    »Lat em!« raunte der Meister leise seinem Gesellen zu. »He besinnt sick!«
    Ebenso stumm ging Fritz am andern Morgen in die Schule. Der Vormittag verging; es war schon Essenszeit, und noch war er nicht wieder da; Meister und Geselle saßen schon an ihrer Grütze, da wurde erst die Haus- und dann die Stubentür aufgerissen, und Fritz stürmte herein. »Vater!« rief er – und seine Augen funkelten von Glück und Freude – »Vater, es geht ihm heute viel besser! Und nun soll er es auch gut bei uns haben!«
    »Wem? Wer?« rief Meister Daniel. »Der Kollaborator?«
    Und Fritz nickte wichtig: »Verlaß dich drauf, Vater; wir haben eine Verschwörung gemacht!«
    Da legte Daniel Basch seinen Löffel hin und zog seinen Jungen mit Gewalt in seine Arme: »Min Fritz, min Sön! Mutter är gude Jung!«
    Aber Fritz hatte sich losgerissen, lief auf den Hausflur und kam mit einem hübschen Vogelbauer wieder in die Stube, worin ein rotbrustiger Vogel mit schwarzem Käppchen auf der Stange saß. »Sieh, Vater«, rief er und hielt das Bauer empor, »den hat mir Julius Bürgermeister geschenkt; der flötet ›Üb immer Treu und Redlichkeit‹, aber nur die erste Hälfte, und darum hat Julius seine Mutter gesagt, sie könnte die halbe Redlichkeit nun nicht mehr in ihrem Kopf aushalten.«
    »Segg mal, Fritz«, sagte der Gesell, »wat is dat egentlich vör ’n Vagel?«
    »Das ist ein Dompfaff!« erwiderte Fritz stolz, »er hat Bürgermeisters fünf Taler gekostet.«
    Daniel hatte bald seinen Jungen, bald den Vogel mit glücklichen Augen angesehen. »Fritz«, sagte er, »wi wülln em beholen, tum Andenken an düssen Dag.«
    So war alles wieder gut; aber bald geschah in der Schule etwas Merkwürdiges. Der alte Kollaborator, als er wieder seine Stunden hielt und nun sogar Fritz Basch auch im Lateinischen ein Held wurde, vermochte offenbar die gewohnten kurzweiligen Neckereien der Jungen nicht mehr zu entbehren; ihm fehlte etwas, was zu seinem Leben gehörte; er fing nun selbst an zu necken und wurde bleich und elend bei diesem Frieden, der trotz alledem, als beschworen, nicht gebrochen wurde, solange Fritz in der Klasse herrschte.
     
    Aber der Dompfaff wollte nicht flöten; er hing oben in der Giebelstube, in welcher Fritz, seit er Gelehrtenschüler war, schlief und arbeitete; wenn es mittags zu heiß wurde – denn es war im Hochsommer –, hing er das Bauer auch wohl nach draußen neben dem Fenster, wo der schmale Lindenschatten es bedeckte. Aber auch hier wollte der Vogel mit seinem Liede nicht beginnen, sondern krakeelte nur mitunter ein unmelodisches Gezwitscher. »De kann nix«, sagte der Gesell, »se hebt di wat wiis makt, Fritz!«
    »Geduld, Marten!« rief dann Fritz, »en Bötjerhuus mutt so ’n vörnehmen Vagel erst wendt warren!«
    Und richtig, als nach einigen Tagen Fritz aus der Schule kam und, wie jetzt immer, leise und lauschend die Treppe hinanstieg, da mußte er plötzlich stehenbleiben.
    »Üb immer Treu und Redlichkeit!«
    Wahrhaftig! das war der Vogel, er flötete. Und noch einmal wieder: »Üb immer Treu und Redlichkeit!«
    Die Melodie war ganz genau, und Fritz sang leis die Worte mit; aber weiter kam der Vogel nicht. Fritz stand lange unbeweglich; als er aber zum dritten Male anhub, rannte er in die Werkstatt hinab, um seinen Vater zu holen, und beide standen hinter der Kammertür, und der gutgelaunte Dompfaff pfiff ihnen dreimal nacheinander sein Stückchen vor, und da er nichts Weiteres konnte, so pfiff er es ihnen auch zum vierten und zum fünften Male. Da der Alte wie der Junge so etwas noch nie gehört hatten, so entzückte es sie, als wär’s ein lieblich Wunder. Zuletzt kam auch noch der Gesell und stand mausestill mit an die Tür gelehntem Ohr. »Fritz!« flüsterte er, »so ’n Vagel! Hev min Lävdag noch so ’n Vagel nich hört!« Als Fritz aber, während der Dompfaff jetzt noch einmal anhub, leis die Kammertür zurückdrängte, brach das Tierchen jählings ab. »Fiu!« machte er noch, dann wetzte er seinen schwarzen Schnabel und kroch in sich zusammen.
    Seine Hörer blieben doch des Wunders voll. »Fritz«, sagte Meister Daniel seufzend, indem er heftig seines Sohnes Hand drückte, »wenn deine Mutter das belebt hätte!«
    – Die Zeit rückte

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