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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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weiter; nach und nach störte den Vogel die Gegenwart der Hausgenossen immer weniger, und auch sie wurden sein Kunststückchen gewohnt; aber Fritz blieb sein getreuer Pfleger; im Winter – denn in der Giebelkammer war kein Ofen – hing er am Fenster in der Wohnstube unten über dem Stuhl, wo einstmals Tante Salome und später, nur zu kurz, die gute Frau Line ihren Platz gehabt hatte, und manche Kinder, die vorübergehen wollten, blieben stehen und hörten nach dem wunderbaren Vogel.
    So waren ein paar Jahre vorüber; Fritz war jetzt ein stämmiger Bursche mit sicheren und kühnen Augen und hantierte schon lange als Lehrling in seines Vaters Werkstatt. Lenkbeil und Schlegel standen ihm fix zur Hand; nur etwas zu rasch und kräftig arbeitete er mitunter, und als Tante Salome, was wegen zunehmender Altersschwäche nur etwa ein- oder zweimal im Sommer geschah, eines Vormittags in die Werkstatt kam, sagte sie: »Du makst ’n Larm vör dree, Fritz! Is denn de Arbeit ock dana?«
    »Fix oder nix, Tante!« rief der Junge und schlug dabei auf die Bänder, daß sie in Splittern auseinanderflogen.
    »Gott bewahr uns in Gnaden!« rief die Alte, »du hest ’n düren Leerburs, Daniel!«
    Aber Meister Daniel lachte, er kannte seinen Fritz; irgendwie und – wo mußte mitunter das Feuer in dem Jungen sich Luft machen, und auf ein Faßband kam’s nicht an; denn er wußte es, Fritz war ein Waghals; die Gefahr war für ihn, was die Vogelbeere für den Krammetsvogel, und je kräftiger er wurde, um desto mehr. Mit dem Küster, der zugleich Glöckner war, hatte er nur Freundschaft geschlossen, weil die drei großen Glocken im Kirchturme geheimnisvoll seine Neugier reizten. Wenn eine vornehme Leiche mit allen dreien zu Grabe geläutet werden sollte, so war er sicher vorher schon auf dem drittobersten Turmboden, und kam der erste Ton des Geläutes, so klomm er an den Querleisten des emporgehenden Balkens hinauf, der von dort statt einer Stiege an der größten Glocke vorbeiführte, und während sie sich heulend dicht an ihm vorüberschwang, suchte er, an seinem Balkon angeklammert, mit den Augen ihren Taufspruch zu erhaschen und sang ihn laut nach einer wilden Melodie in das hallende Dreigetön hinaus: Sum regina Poli, virgo Maria, tonantis!, bis er zuletzt fast taumelnd den Boden wieder erreichte.
    Stand ein Sturm am Himmel und flog dann ein Boot durch das schäumende Wasser aus dem Hafenstrom in das Wattenmeer hinaus, so saß sicher niemand als Fritz Basch und ganz allein darin; man brauchte nur einen der Schiffer an dem Hafen zu fragen.
    »Wer anners!« war die Antwort. »De Gewaltsbengel, wenn he um ’t Boot fragt, so hett he ’t ock all losknütt; de Antwoort givt he sick wull sülven!«
    Kam er dann durchnäßt, mit wirrem Haar, nach Hause, so sah der Meister ihn wohl angstvoll an. »Fritz, Fritz!« sagte er einmal, »wenn du mir von solcher Fahrt nicht wiederkämst!«
    Aber Fritz nahm lustig seinen Schlegel und ein Faß und begann ohne weiteres seine unterbrochene Arbeit wieder.
    »Vater«, sagte er treuherzig; »ich mach heute eine Stunde später Feierabend; aber den jungen Seehund hättst du sehen sollen, mit dem ich um die Wette fuhr; das war heut just unser Wetter!«
    »Ja, ja, Fritz!« sagte der Alte. »Ein Seehund, aber du bist ja denn doch keiner!«
    Der Junge ließ die Hand mit dem Schlegel hängen, und in sein geliebtes Plattdeutsch fallend, sagte er stolz: »Na, wat en Seehund swemmt, dat swemm ick ock!«
    Der alte Meister Daniel schüttelte seufzend den Kopf, und die Schläge an den Fässern tönten wieder durch die Werkstatt.
     
    Nachdem drei Jahre seit Fritzens Konfirmation verflossen waren, war es recht still in Meister Daniels Haus geworden; denn Fritz arbeitete jetzt als Gesell in einer großen Faßbinderei in Hamburg; nur etwa einmal im Monat kam ein Brief von ihm. Meister Daniel und sein Marten konnten die Arbeit zu Hause aber auch jetzt gewaltig allein tun, denn unten in der Stadt hatte sich eine große neumodische Brauerei mit einem eigenen Böttcher aufgetan, und Daniels Hauptkundschaft, die alte Petersensche Brauerei ihm gegenüber, die nur das hergebrachte Gut- und Dünnbier für Stadt und Umgegend lieferte, hatte dadurch einen großen Teil ihres Absatzes verloren. Tante Salome kam auch nicht mehr aus ihrem Stift; sie war zu schwach dazu geworden. Meister Daniel stand oft nachdenklich unter der Linde vor seiner Haustür und sah nach seinem von Wind und Wetter schon recht verwaschenen Türstück auf;

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