Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
hatte?
     
    Um diese Zeit war es, daß der Sohn eines Kellerwirts, »der Amerikaner«, wie sie ihn später nannten, als er sich nichtsnutzig in der Stadt umhertrieb, aus Kalifornien wieder nach Haus gelangte. Er war trunkfällig und großmäulig und führte zur Unterstützung seiner Reden eine rasche Faust, daß die Leute es sich schon gefallen ließen, wenn er in der Fuhrmannskneipe seine Geschichten auftischte und seine Goldbröcklein aus der Tasche holte. Mit Grafen und Zigeunern, Türken und Heiden, so erzählte er eines Abends, auch freilich mit Fritz Basch habe er Gold gewaschen. – Aber der sei ja in San Franzisko in einer Schlachterei, meinte einer der Stammgäste. – Der Amerikaner lachte: »Hat sich ausgeschlachtert! Die Bretterbuden sind verbrannt; die hounds haben die Kassen genommen.«
    »Hounds – was sind Hounds?«
    »Hunde! Spitzbuben! Räuber sind’s!« rief der Amerikaner. »Ihr kennt hier so was nicht! Noch ein Glas, Harke; schmeckt wohlfeil hier bei euch!«
    Das junge Schenkmädchen war, die Hand auf einer Kanne, stehengeblieben: »Sagt, wenn Ihr so gut sein wollt, was treibt Fritz Basch denn itzt? Wir sind zusammen eingesegnet.«
    »Fritz Basch?« erwiderte der Goldgräber und sah sich frech am Tische um. »Kalkulier’, der hat’s wohl ausgetrieben!«
    »Was sagt Ihr! Was ist’s mit Fritz Basch?« riefen die Gäste; denn der frische Junge war in aller Gedächtnis.
    Der Amerikaner trank erst sein Glas bis auf die Nagelprobe.
    »Ihr kennt das hier nicht«, sagte er dann wieder; »im Süden, im Oregon war’s; ein neues Goldlager! Ihr kennt das nicht: von Asien, Afrika, Europa rannten sie herbei; der Staub, der Morast, das Schnauben und Toben von Mensch und Vieh; aus hundert Sprachen schrien sie durcheinander, schlimmer als beim Turmbau zu Babel: ein Irländer wurde verrückt; ein Franzos wollte alles überschreien, bis er am Ende nur noch pfeifen konnte; aber Gold! Gold war für alle! Harke, noch ein Glas!« unterbrach sich der Erzähler.
    »Aber Fritz! Was war mit dem? War er dabei?« riefen die andern.
    »Dabei? – Ob er dabei war! Er grub und wusch für zwei! Einen Beutel voll Gold hatte er schon, den er allzeit festgebunden in der Hosentasche trug.«
    »Weshalb denn ist er nicht mit hieher gekommen? Habt ihr Streit gehabt?«
    Der Amerikaner schüttelte den Kopf: »Streit? Streit genug; aber nicht zwischen uns. In den Minen, abends in den Zelten, wir spielten fast die Nächte durch; habt von der Wirtschaft wohl schon reden hören. Aber Fritz wollte nicht, und wenn sie ihn zerren wollten, sprach er: ›Spielt! ich mach nicht mit; muß meinem Vater ein weich Kissen für seinen alten Kopf mit nach Haus bringen; hab kein Gold für euere Karten!‹ – Aber sie kriegten’s heraus, daß er die Taschen voll hatte; so kam’s zum Streit, und in einer Nacht – ihr kennt das nicht –, da wurden die Messer blank, und eins davon fuhr ihm zwischen den Schultern in den Rücken.«
    Die blonde Dirne stieß einen Wehlaut aus. »Der arme alte Daniel!« rief ein anderer; »es war doch nicht zum Tode?«
    »Zum Leben auch nicht!« sagte der Amerikaner; »ich hab ihn später nicht mehr gesehen, und wenn sein Leichnam nicht zufällig einem neuen Claim im Wege lag, so werden die Geier und die Ratten ihn schon begraben haben!«
    – – Ein paar Tage später saß der Erzähler auch bei dem alten Meister Daniel auf der Bank unter Mamsell Riekchens Fenster, und bis weit hinab und hinauf in die Straße konnten die Leute, die dort gingen oder vor ihren Türen saßen, ihn reden hören. »Na, good-bye, Meister!« sagte er endlich, rückte seinen Hut und schlenderte gleichgültig, die Hände in den Hosentaschen, weiter.
    Der Alte sah ihm lang mit starren Augen nach; als er sich aufrichten wollte, taumelte er auf die Bank zurück; er machte noch einmal den Versuch, und nun ging es: mit den Händen an der Wand tastete er sich durch seinen Hausflur und ebenso die Treppe hinauf; als er in die Kammer gelangt war, schloß er hinter sich die Tür. Wer auf der Gasse vorüberkam, sah die Sonne über die geschorene Linde weg ins offene Fenster scheinen und hörte den Dompfaff sein allbekanntes Lied pfeifen.
     
    Nach einigen Wochen aber wurde hie und da erzählt, der alte Daniel Basch sei so was wunderlich geworden; der Amerikaner habe auch ihm das Stück von seinem Sohn erzählt, da sei ihm die Trauer in den Kopf gestiegen. – Auch in meinem Hause wurde davon gesprochen; da seine Mutter bei meiner Großmutter lang in treuem

Weitere Kostenlose Bücher