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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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die Tierchen; die Dämmerung kam, und ein gelber Abendschein fiel schräg vom Westen her auf die weißgetünchten Wände der Werkstatt. Der Meister ließ die Arbeit aus den Händen gleiten; er saß auf der Schnitzbank und sah nach seinem Vogel, der am oberen Fenster hing und sich duknackig zusammengeplustert hatte. »Papchen! Mein Papchen!« rief der Alte zärtlich; aber der Vogel rührte sich nicht: da stand er auf, rückte hastig einen Stuhl an das Fenster und stieg hinauf.
    Unter der Holzdecke, in deren Nähe das Bauer hing, war eine Todesglut. Der Alte stieß mit zitternder Hand das obere Fenster auf und hakte es fest; dann sah er wieder angstvoll auf seinen Vogel. »Nicht krank werden, Papchen!« flüsterte er ihm zu. »Fritz ist tot und Daniel ein alter Mann!« Er faßte an das Trinkglas des Vogels; es war heiß wie ein Suppentopf. Rasch trat er von dem Stuhl herunter, trabte mit dem Glase zum Brunnen auf dem Hofe und füllte es mit frischem Wasser, das er aus der tiefsten Tiefe heraufzog. Als er wieder in der Werkstatt war und das Glas vor dem Bauer in den Drahtring gehangen hatte, stand er lange mit den Händen auf dem Rücken und blickte gespannt nach seinem Vogel, der sich deutlich gegen den Abendschimmer draußen abhob. »Trink nun, Papchen, trink!« sprach er halb wie zu sich selber. »Soll nicht wieder passieren; der alte dünne Kopf! Wir müssen zusammen aushalten; so trink nun doch, mein Papchen!«
    Und wirklich, der Vogel spreitete die Flügel und reckte den Kopf auf, als ob er jetzt erwache; und Daniel sah ihn zu seiner Beruhigung nach dem Glase hüpfen und in durstigen Zügen den klaren Quell hinunterschlürfen.
    Die Dämmerung fiel immer stärker; der Meister band sein Schurzfell ab, zog seinen Rock an und machte sich zu seinem Abendgange nach dem Kirchhof fertig. Als er eben aus dem Hause gehen wollte, fiel ihm die Hoftür ein; er lief zurück und versicherte sie mit Schlüssel und Haken, denn er wußte, daß Mamsell Therebinte heut in der Stadt ihre Kammerjungferngeschäfte trieb; dann schloß er auch die Haustür ab und ging durch den ungewöhnlich dunkeln Abend die Straße hinunter zu seinen Toten.
    Er blieb lange auf dem Kirchhof, denn er feierte heute den Geburtstag seiner Line. Wer außer ihm noch dort gewesen war, den hatte das nahende Gewitter nach Haus getrieben, das im Westen über dem Meer heraufstieg. Er saß allein in der Finsternis auf der kleinen Bank und dachte wohl, wie er vor Jahren mit ihr, die jetzt unter ihm verweste, Hand in Hand unter dem Birnbaum in dem damals so wohlgepflegten Garten gesessen hatte. Die Donner, die schon lange gemurrt hatten, wurden lauter; mitunter hob ein jäher Blitzschein die Totenkreuze und Urnen um ihn her auf einen Augenblick aus dem Dunkel in ein gelbblaues Licht, und ein Rauschen fuhr durch die Eschen des Kirchhofs. Als jetzt ein dröhnender Schlag vor ihm wie in den Grund hinabprasselte, erhob er sich unwillkürlich. Noch ein Weilchen stand er und neigte das Ohr nach dem Grabhügel; aber die Toten schliefen fest genug; dann trat er den langen Weg nach seinem Hause an. Als er von der Norderstraße über den Stiftskirchhof ging, zeigte ein Blitz ihm für einen Augenblick die beiden Zackengiebel und die Seitenmauer des langen Stiftsgebäudes und darin das Fenster, hinter welchem er so manches Mal bei seiner Schwester Salome gesessen hatte; es war dort niemand mehr, der zu ihm gehörte, und er begann einen kleinen Trab zu laufen; ihn ergriff eine plötzliche Sehnsucht nach seiner öden Wohnung; auch mußte er in der Werkstatt den offenen Fensterflügel schließen, damit der schon in großen Tropfen fallende Regen nicht seitwärts in das Vogelbauer und auf seinen Dompfaff schlage.
    Mamsell Riekchen lag schon hinter den geblümten Gardinen ihres Jungfernbettes, als der Meister in sein Haus trat und sie ihn eilig in die Werkstatt gehen hörte. »Den lieben Engeln Dank«, sagte sie und streckte ihr Figürchen behaglich unter dem Deckbett, »daß wir den alten Mann zu Hause haben!« Denn von draußen schlug der Gewitterregen wie in Strömen gegen die Fenster. »Nun wird er gleich seine Stiegen hinaufklettern, und dann ist Ruh im Hause!«
    Aber es dauerte eine Weile; dann hörte sie von der Werkstatt her ein Hantieren mit Brettern und Dauben, die dort in Menge an den Wänden standen, als ob jemand in hastigem Suchen alles durcheinanderwerfe; dazwischen klatschte draußen der Regen von den Dächern und aus den Rinnen auf die Straße. Sie hatte sich in ihrem

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